Mit der Veröffentlichung der Errichternormen DIN VDE 0100-443 und DIN VDE 0100-534 am 01. Oktober 2016 ist der Einsatz von Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPD) verpflichtend. Neben den gewerblichen und industriellen Anlagen hat diese Forderung nun auch uneingeschränkte Gültigkeit für Ein- u. Mehrfamilienhäuser. Die Überspannungs-Schutzeinrichtungen sind nun generell am Speisepunkt der Anlage anzuordnen (gebäudeeintrittsnah), dieser Speisepunkt kann beispielsweise der Hauptverteiler / die NSHV sein.

Anmerkung: Dieser Schutzvorschlag behandelt keine Zählerplätze gemäß Anwendungsrichtlinie VDE-AR-N 4101. Aussagen hierzu sind im Schutzvorschlag „Überspannungsschutz für Ein- und Mehrfamilienhäuser“ enthalten.

In diesem Hauptverteiler / NSHV ist immer ein SPD zum Schutz vor Gleichtaktstörungen (aktive Leiter gegen Erde) vorgeschrieben. Zum Schutz bei Blitzeinwirkungen und vor Schaltüberspannungen ist bei Anlagen mit äußerem Blitzschutz ein Kombi-Ableiter SPD Typ 1 einzusetzen. Im Hinblick auf die Parameter Ableitvermögen, Kurzschlussfestigkeit und Folgestromlöschfähigkeit kommen in Hauptverteilungen / NSHV ausschließlich SPDs Typ 1 als Kombi-Ableiter zum Einsatz. Hier wird lediglich zwischen SPDs mit integrierter Absicherung (Bild 9.4.1) und mit externer Absicherung (Bild 9.4.2) unterschieden. 

Bild 9.4.1 DEHNvenCI als Kombi-Ableiter SPD Typ 1 (Up ≤ 1,5 kV) mit integrierter SPD-Absicherung
Bild 9.4.2 DEHNbloc modular als koordinierter Ableiter SPD Typ1 (Up ≤ 2,5 kV mit externer SPD-Absicherung)

Wird eine externe SPD-Absicherung vorgenommen, darf die verwendete Überstrom-Schutzeinrichtung nicht vor dem Erreichen des maximalen SPD Iimp (10/350 µs) bzw. In (8/20 µs) auslösen. Als Referenzwert für Überstrom-Schutzeinrichtungen werden die Zeit- / Stromkennlinien von gG-Sicherungen verwendet. Befindet sich ein Leistungsschalter vor dem SPD, ist dessen Kennlinie mit der Kennlinie der höchstzulässigen gG-Sicherung zu vergleichen (Tabelle 9.4.1).

 

Überspannungs-Ableiter

DEHNguard

Blitzstrom-Ableiter

DEHNventil

 

Nennableitstoßstrom 20 kA

(8/20 μs) im TN-S-System

Blitzstoßstrom 25 kA

(10/350 μs) im TN-S-System

Mindest-querschnitt Klemme

1,5 mm2

10 mm2

Mindest-querschnitt Erdungs-

leiter S3

6 mm2

16 mm2

 

Mindest-

querschnitt

Leiter S2 +S3 / Stoßstromtrag-

fähigkeit der Sicherung

   

Mindest-

querschnitt

Leiter S2 +S3 / Stoßstromtrag-

fähigkeit der Sicherung

   

gG 63 A D02

10 mm2

23,1 kA* 

8/20 μs

       

gG 80 A D03

10 mm2

23,2 kA* 

8/20 μs

       

gG 100 A D03

16 mm2

41,4 kA* 

8/20 μs

       

gG 100 A NH

16 mm2

keine
Angaben

       

gG 125 A NH

16 mm2

keine
Angaben

max.

Überstrom

schutzein-

richtung

16 mm2

11,3 kA*   

10/350 μs

 

gG 160 A NH

     

25 mm2

15,3 kA*

10/350 μs

 

gG 200 A NH

     

35 mm2

19,7 kA*

10/350 μs

 

gG 250 A NH

     

35 mm2

27,9 kA*

10/350 μs

 

gG 315 A NH

     

50 mm2

34,2 kA*

10/350 μs

max. Überstrom-schutzein-richtung

* Bei den angegebenen kA-Werten handelt es sich um gerechnete Werte nach VDE V 0675-6-12:2010-09

Die Blitzstromaufteilung im TN-S-System erfolgt über 5 Leiter.

Tabelle 9.4.1 Anschlussquerschnitt von PVC isolierten Kupferleitern H-07VK in Abhängigkeit des Nennableitstoßstromes, Blitzstromes und netzstrombezogenen I2 t – Wert für max. 5 s

Da der tatsächliche Schutzpegel der Anlage vom Spannungsfall über den Anschlussadern und der externen Überstrom-Schutzeinrichtung bestimmt wird, sind die SPDs mit integrierten Sicherungen im Vorteil, da deren Schutzpegel (Up) den Spannungsfall über die Sicherung bereits berücksichtigt (Bild 9.4.3).
Sofern das SPD im Hauptverteiler / NSHV nicht die geforderte Bemessungs-Stoßspannung sicherstellen kann, sind zusätzliche SPDs Typ 2 oder Typ 3 in der Anlage, bzw. in weiteren Verteilern notwendig. Diese müssen dann untereinander energetisch koordiniert sein (Bild 9.4.4).

Bild 9.4.3 DEHNvenCI als Kombi-Ableiter SPD Typ 1 mit integrierter Absicherung
Bild 9.4.4 Energetisch koordinierte SPDs nach der Hauptverteilung

Beträgt die Leitungslänge zwischen dem SPD und dem zu schützenden elektrischen Betriebsmittel (z. B. Folgeverteilung, Endgerät usw.) mehr als 10 m, dann sollten zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Der Schutzpegel UP des SPDs sollte 80 % der Bemessungs-Stoß-spannung des relevanten elektrischen Betriebsmittels nicht überschreiten. Der Grund hierfür liegt am sich einstellenden Spannungsfall (U = L x di/dt) auf den max. 0,5 m langen Anschlussadern (aktive Leiter zur Überspannungs-Schutzeinrichtung und von dort zum PE/PEN-Leiter) (Bild 9.4.5). Eine Ausnahme bildet dabei der Potentialausgleichsleiter vom SPD zur Haupt- / Erdungsschiene. 

Bild 9.4.5 Maximale Gesamtlänge der Adern von 0,5 m, die in Verbindung mit der 80-prozentigen Reduzierung noch die Bemessungs-Stoßspannung einhält

Dies muss nicht beachtet werden, wenn eine Anschlussvariante gewählt wird, die zum SPD hin keinen Spannungsfall verursacht, die sogenannte V-Verdrahtung (Bild 9.4.6) oder wie im Bild 9.4.3 dargestellt, ein SPD-Set mit integrierter Vorsicherung verwendet wird.

Bild 9.4.6 DEHNventil in V-Schaltung mit geringem Spannungsfall UPE-Leiter am PE-Leiter zwischen PE-Klemme und Doppel-klemme für kleinere Hauptverteilungen bis max. 125 A Belastungsstrom

Da die Induktivität eines Rundleiters im relevanten Anschluss­querschnittsbereich (16 – 50 mm²) ca. 1 µH/m beträgt, fällt unter Zugrundelegung eines 10 kA 8/20 µs Impulsstromes, eine Spannung von ca. 1 kV/m ab. Das heißt, dass man in einer Hauptverteilung mit 4 kV Bemessungs-Stoßspannung ein DEHN­ventil (UP =1,5 kV) mit einer zusätzlichen Leitungslänge von ca. 1 m anschließen dürfte (Bild 9.4.7). Werden höhere oder niedrigere Werte als 25 kA 8/20 µs angesetzt, dann sind die Anschlusslängen linear zu reduzieren oder zu erhöhen (Tabelle 9.4.2).

Auftretende Spannungsfälle

Stoßstrom

(8/20 µs)

Spannungsfall bei geradlinig verlegter Leitung [m]

0,5 m

2 m

5 kA

500 V

250 V

1000 V

10 kA

1000 V

500 V

2000 V

12,5 kA

1250 V

625 V

2500 V

20 kA

2000 V

1000 V

4000 V

25 kA

2500 V

1250 V

5000 V

Tabelle 9.4.2 Spannungsfall an Anschlussleitungen bei verschie­denen Stoßstrombelastungen
Bild 9.4.7 Nutzbare Spannungsdifferenz (UW – UP) durch den Einsatz eines DEHNventils, um längere Anschlussadern als 0,5 m einsetzen zu können

Es gilt hierbei zu beachten, dass der ursprüngliche Schutzpegel eines DEHNventils (UP ≤ 1,5 kV) nun nicht mehr für elektrische Betriebsmittel mit geringerer Bemessungs-Stoßspannung zur Verfügung steht und daher durch SPDs mit einem geringeren Schutzpegel sichergestellt werden muss (Bild 9.4.8).

Bild 9.4.8 Hauptverteilung mit längeren Anschlussadern als 0,5 m zum SPD Typ 1 sowie SPDs Typ 2 zur Einhaltung der Überspannungskategorie I (Bemessungs-Stoßspannung ≤ 1,5 kV) in den Abgangsfeldern


Wenn aufgrund der örtlichen Gegebenheiten diese Anforderung nicht umgesetzt werden kann, verbleiben dem Anwender folgende Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen:

  • Auswahl eines SPDs mit niedrigerem Schutzpegel: Tabelle 9.4.2 gibt eine Hilfestellung, was hierzu bei der Auswahl und Anordnung zu beachten ist. Diese Werte wurden entsprechend der Stoßstromwerte bei 8/20 µs nach DIN VDE 0100-534 mit der Formel U = L ∙ di/dt interpoliert.
  • Auswahl eines SPDs mit integrierter Vorsicherung
  • Einbau eines zweiten, koordinierten SPDs am zu schützenden Betriebsmittel
  • Anwendung der sogenannten V-Verdrahtung
  • Zusätzlicher lokaler Potentialausgleich, z. B. über das Metallgehäuse der Schaltanlage 
    (Bild 9.4.9).
Bild 9.4.9 Zusätzlicher lokaler Potentialausgleich über das Metallgehäuse / Montageplatte der Schaltanlage

Wird in eine Hauptverteilung ein TN-C-System eingespeist und befindet sich an der Auftrennstelle des PEN-Leiters zum PE- und N-Leiter der zentrale Erdungspunkt (ZEP), kann bis zu einer Entfernung von max. 0,5 m noch ein SPD in 3+0 Schaltung eingesetzt werden (Bild 9.4.10).
Ein wichtiger SPD-Parameter ist die notwendige Kurzschlussfestigkeit ISCCR, welche mindestens dem am An­schlusspunkt auftretenden Kurzschlussstrom entsprechen muss.

Bild 9.4.10 Möglicher Einsatz von 3 x DEHNvenCI in 3+0 Schaltung im TN-S System bei Einhaltung der maximalen Entfernung von 0,5 m bis zur Auftrenn stelle PENPE + N

Schutz informationstechnischer Leitungen

Grundsätzlich ist zwar zu bemerken, dass die DIN VDE 0100-443 und die DIN VDE 0100-534 nicht den Schutz von Daten- und Telekommunikationsleitungen beinhaltet, aber die neuen Normen geben eine deutliche Empfehlung darüber ab, dass ein vollständig wirksames Überspannungsschutzsystem nur unter Einbeziehung dieser Leitungen sinnvoll umsetzbar ist. Wenn Überspannungsschutz für die Stromversorgung gefordert ist, sollte auch Überspannungsschutz für die Datenleitungen berücksichtigt werden. Viele wesentliche Funktionsbaugruppen im Gebäude verfügen heute sowohl über eine Netzspannungsversorgung als auch datentechnische Anschlüsse. Daher können natürlich Störbeeinflussungen über beide Wege eingekoppelt werden.

Typische datentechnische Leitungen, die hierbei beschaltet werden sollten, sind z. B.:

  • Telefon- bzw. DSL-Anschlüsse
  • SAT- und BK-Anlagen
  • Datenleitungen (z. B. Ethernet)
  • Gebäudeautomation (z. B. KNX-Bus)
  • Sensoren (z. B. Außenfühler der Heizung).

DEHN bietet hier verschiedenste Lösungen, passend für die jeweilige Schnittstelle und den jeweiligen Einbauort. Hierunter fallen beispielsweise Produkte für die einfache und flexible Wandmontage, Hutschieneneinbau oder für KNX-Gebäudeautomation (Bild 9.4.11).

Bild 9.4.11 DEHNgate – Koaxialer Ableiter für SAT-BK-Anlagen, BLITZDUCTOR zur Hutschienen-montage, DEHNpatch am Ethernet-Port eines PC-Systems, BUStector für KNX Gebäudeautomation, DEHNpatch im 19‘‘-Verteiler, DEHNbox zur einfachen und flexiblen Wandmontage