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9.43
Blitz-und Überspannungsschutz für die Elektromobilität
Gefährdung bei Gewittern
Mehrere Milliarden Blitze gehen jedes Jahr weltweit nieder. Allein in Deutschland werden jährlich durchschnittlich 1,5 Millionen Blitzereignisse gezählt, mit zunehmender Tendenz. Schlägt der Blitz in unmittelbarer Nähe ein, kommt es häufig zu Schäden an Gebäuden und Infrastruktur: Blitzeinschläge können zu Bränden und/oder zu Überspannungsschäden an elektrischen Geräten und Systemen führen. Letztere können entstehen, selbst wenn Blitze in einer Entfernung bis zu 2 km einschlagen.
Das Schalten von elektrischer Energie, zum Beispiel an der Ladesäule oder auch bei Schalthandlungen in Transformatorstationen erzeugt Schaltüberspannungen und kann dadurch ebenfalls negative Auswirkungen haben. Oft reicht bereits eine geringe Energie, um Schäden zu verursachen.
Schäden während des Ladevorgangs
Die ständige Verfügbarkeit von elektrischer Energie ist für Ladevorgänge ein entscheidender Faktor. Durch ihre vorrangige Aufstellung im Freien werden Ladestationen maßgeblich von den Auswirkungen von Blitzentladungen gefährdet. Die daraus resultierenden Überspannungen überschreiten dabei um ein Vielfaches die Spannungsfestigkeit der verbauten elektronischen Komponenten innerhalb der Ladesäule.
Weiterhin sind netzbedingte Spannungsspitzen z. B. durch Schalthandlungen oder Erd- und Kurzschlüsse als Bedrohungsszenario zu berücksichtigen. Die Folge sind defekte elektronische Bauteile und eine nicht funktionsfähige Ladesäule. Treten diese Überspannungen während eines Ladevorgangs auf, kann dies sogar zu einem Schaden am Fahrzeug selbst führen (z. B. defekte Laderegler oder Batterien). Da dies schwere wirtschaftliche Folgen nach sich zieht und um Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten zu minimieren, ist ein wirksames und zuverlässiges Blitz- und Überspannungsschutzkonzept zu berücksichtigen.
Was passiert beim Blitzschlag während des Ladevorgangs?
Durch einen Direkteinschlag (z. B. in eine Straßenlaterne) kann ein Teilblitzstrom zur Ladesäule fließen. Dieser kann durch das angeschlossene Ladekabel direkt in das Fahrzeug geleitet werden und dort die Ladeelektronik oder sogar die Batterie zerstören. Ist ein Überspannungsschutz vorgesehen, wird der Blitzstrom und die Überspannung direkt über die Schutzeinrichtung abgeleitet und die Ladeeinrichtung sowie das Fahrzeug wird nicht beschädigt (Bild 9.43.1).
Was sagt die Norm?
Die Publikation der deutschen Versicherer zur Schadenverhütung VdS 3471 „Ladestationen für Elektrostraßenfahrzeuge“ schreibt zur Thematik Überspannungsschutz, dass nach DIN VDE 0100-443 aufgrund der herstellerseitig vorgegebenen Überspannungskategorie bewertet werden muss, ob zusätzliche Überspannungsschutzmaßnahmen erforderlich sind. Die Normen der Reihe DIN VDE 0100 sind Installationsnormen und deshalb auf die feste Installation anwendbar. Sofern eine Ladesäule nicht ortsveränderlich und über eine feste Verkabelung angeschlossen ist, fällt sie in den Geltungsbereich der DIN VDE 0100.
Die DIN VDE 0100-443:2016-10 behandelt den Schutz von elektrischen Anlagen bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse, die über das Stromversorgungsnetz übertragen werden, inklusive direkter Blitzeinschläge in die Versorgungsleitungen und transiente Überspannungen infolge von Schaltvorgängen. Sie liefert eine Aussage, ob Überspannungsschutzmaßnahmen erforderlich sind, wägt das Standortrisiko ab, definiert Überspannungskategorien und die dazugehörigen geforderten Bemessungsstehstoßspannungen der Betriebsmittel und definiert, ob zusätzliche Überspannungs-Schutzeinrichtungen notwendig sind. Weiterhin wird auf die notwendige Verfügbarkeit der Anlage eingegangen. Ist eine Gefährdung durch direkte Blitzeinschläge zu berücksichtigen, dann ist zusätzlich die Blitzschutz-Norm DIN EN 62305 (VDE 0185-305) zu beachten.
Werden gemäß DIN VDE 0100-443 und EN 62305 Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen eingesetzt, dann sind diese nach DIN VDE 0100-534 zu installieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass die DIN VDE 0100-722 im Jahr 2019 in überarbeiteter Fassung veröffentlicht wurde. Darin wird gefordert, dass bei öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtungen Überspannungsschutz vorzusehen ist. Bei Ladesäulen, die direkt an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind, ist zusätzlich die VDE AR-N-4100 zu berücksichtigen. Hierin werden unter anderem zusätzliche Anforderungen an Typ 1-Ableiter beschrieben, die im Hauptstromversorgungssystem eingesetzt werden, z. B.:
SPDs Typ1 müssen der Produktnorm DIN EN 61643-11 (VDE 0675-6-11) entsprechen
Es müssen ausschließlich spannungsschaltende SPDs Typ 1 (mit Funkenstrecke) eingesetzt werden. SPDs mit einem oder mehreren Varistoren oder eine Parallelschaltung einer Funkenstrecke mit einem Varistor enthalten sind verboten
SPDs Typ1 dürfen keinen Betriebsstrom durch Statusanzeigen, wie z. B. LEDs, verursachen.
Ursachen von transienten Überspannungen
Ein direkter Einschlag in die Ladesäule oder in die Versorgungsleitung verursacht einen Blitzstrom, der mit der Impulsform 10/350 µs prüftechnisch nachgebildet wird. Ferne Blitzeinschläge oder sog. indirekte Blitzeinschläge führen zu leitungsgebundenen Blitzteilströmen (Impulsform 10/350 µs) in den Versorgungsleitungen oder auch zu induktiven/kapazitiven Kopplungen (Impulsform 8/20 µs) in den Ladestationen selbst. Zudem können durch Schalthandlungen, Erd-und Kurzschlüsse, aber auch durch Auslösen von Sicherungen Überspannungen verursacht werden (SEMP – switching electromagnetic pulse) (Bild 9.43.2 undBild 9.43.3).
In Abhängigkeit des Standortes der Ladesäule oder Wallbox (Bild 9.43.4), hat die Auswahl des Überspannungsschutzes nach DIN VDE 0100-534 zu erfolgen. Wenn die Ladesäule oder die Leitungsführung zur Ladesäule in Zone 0A errichtet wird, sind bei einem Nah- oder Ferneinschlag sowohl galvanische Einkopplungen von Teilblitzströmen als auch induktive und kapazitive Einkopplungen zu erwarten. Um diese Störimpulse zu beherrschen, sind Typ 1 + 2 + 3 Kombiableiter, z. B. DEHNvap EMOB, in der Ladesäule zu installieren.
Sind die Ladesäulen oder Wallboxen und dessen Zuleitungen in der Zone 0B errichtet, d. h. im einschlaggeschützten Bereich, sind lediglich induktive und kapazitive Einkopplungen durch Blitzentladungen zu erwarten. In diesem Fall sind Überspannungsableiter Typ 2 + 3, z. B. DEHNcord 3P, zu berücksichtigen:
Durch seine kompakte Bauform von 2 TE eignet sich der DEHNcord 3P selbst für sehr begrenzte Einbauräume in Wallboxen.
Durch seine flexiblen Einbaumöglichkeiten, wahlweise über Hutschiene oder Anschraublaschen ist der DEHNcord 3P auch eine optimale Nachrüstlösung.
Dank der Doppel-Push-in Technik kann eine Stich- oder Durchgangsverdrahtung schnell und einfach durchgeführt werden.
Sollte das Bedrohungsszenario nicht eindeutig zu bestimmen sein, empfiehlt sich generell der Einsatz des kompakten und platzsparenden Typ 1 + 2 + 3 Kombiableiter DEHNvap EMOB. Dieser basiert auf RAC – Funkenstreckentechnologie und ist speziell für die Anforderungen der Stromversorgungen für die Ladeinfrastruktur konzipiert. Durch dessen Wellenbrecherfunktion wird die Restenergie auf < 0,5 J begrenzt, so dass selbst empfindlichste Elektronik sicher und zuverlässig geschützt wird. Zudem ist der KEMA-zertifizierte Ableiter bis zu einem Nennstrom von 250 A vorsicherungsfrei einsetzbar. Somit stellt dieser eine echten Universalschutz dar. Sofern vorhanden, sind alle kupfergebundenen Datenschnittstellen, wie z. B. Ethernetleitungen ebenso mit geeigneten Überspannungsableiter wie z. B. DEHNpatch zu beschalten. Nur so kann ein sicherer Schutz und somit das Schutzziel erreicht werden.
Auswahl der Überspannungsschutzeinrichtungen
Für die Auswahl der geeigneten Blitz- und Überspannungsschutzeinrichtungen sind neben Kenntnissen hinsichtlich Errichtungsstandort auch Informationen über die örtlich gegebene Netzform, Systemspannung und Nennstrom der Ladeeinrichtung wichtig. Eine beispielhafte Auswahl ist der Tabelle 9.43.1 zu entnehmen.
Nr.
Typ
Art.-Nr.
Sonstiges
Schutz vor den direkten und indirekten Auswirkungen des Blitzes
Kombi-Ableiter Typ 1 + 2 + 3 230 / 400 V (50 / 60 Hz)
Korrosionsschutzbinden zur Umhüllung von ober- und unterirdischen Verbindungen
* Auswahl in Abhängigkeit von der Schnittstelle
Tabelle 9.43.1
Auswahlhilfe Schutz von Elektromobilität – Ladeinfrastruktur (Bild 9.43.4)
Erdung und Potentialausgleich
Werden in den Ladesäulen Blitzstromableiter Typ 1 oder Kombiableiter Typ 1 + 2 installiert, ist gemäß DIN VDE 0100-534 eine zusätzliche separate örtliche Erdung vorzusehen. In Anlehnung an DIN VDE 0185-305 kann dies beispielsweise durch den Einsatz von Tiefenerder mit einer Mindestlänge von 2,5 m oder alternativ mit Strahlenerder, z. B. Runddraht 10 mm mit einer Mindestlänge von 5 m unterhalb der Frosttiefe realisiert werden. Hierbei wird ein Erdungswiderstand von 10 Ohm empfohlen.
Werden Ladesäulen oder Wallboxen direkt am Niederspannungsnetz angeschlossen, gelten die Anforderungen nach VDE AR-N 4100 „Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz und deren Betrieb“. Diese verweist hinsichtlich des Zwecks und Errichtung von Erdungsanlagen auf die DIN 18014. In Anlehnung daran, ist so ein Ringerder vorzusehen. Dieser besteht aus einem dauerhaft korrosionsbeständigen Material NIRO V4A (oder gleichwertig), Bandstahl 30 x 3,5 mm oder einem Runddraht 10 mm.
Im Sinne des vollständigen Blitzschutzpotentialausgleichs sollte stets ein vermaschtes Erdungssystem angestrebt werden. Hierbei empfiehlt es sich daher, jeweilige Ladepunkte untereinander erdfühlig zu verbinden.
Zudem ist in Abhängigkeit der Standortgegebenheiten zu bewerten ob durch einen dauerhaften Aufenthaltsbereich von Personen Gefährdungen hinsichtlich Schritt – und Berührspannung entstehen können. Ist dies der Fall sind zusätzliche Maß- nahmen hinsichtlich Potentialsteuerung z.B. durch blitzstromgeprüfte Gittermatten vorzusehen.