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2.1
Blitzentladung und Blitzstromverläufe
Jährlich entladen sich über dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich etwa 1,5 Millionen Blitze. Bei einer Fläche von 357.042 km2 entspricht dies einer mittleren Blitzdichte von 4,2 Blitzentladungen pro Quadratkilometer und Jahr. Die tatsächliche Blitzdichte ist jedoch weitgehend von geographischen Gegebenheiten abhängig und kann zur ersten Orientierung der Blitzdichtekarte in Bild 3.2.3.1 entnommen werden.
Bild 3.2.3.1
Blitzdichte in Deutschland (Durchschnitt der Jahre 1999 – 2014), Quelle: Blitz-Informations-Dienst von Siemens
Je feiner die Rasterung der Blitzdichtekarten vorgenommen wird, desto genauer kann sie Aufschluss über die tatsächliche Blitzhäufigkeit im betrachteten Gebiet geben. Eine Blitzortung bis zu 100 m Messgenauigkeit ist heute in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Blitzortungssystem BLIDS möglich. Dazu sind 155 Messstationen über Europa verteilt. Sie werden über das hochgenaue Zeitsignal des Global-Positioning-Systems (GPS) miteinander synchronisiert. Die Messstationen registrieren den Zeitpunkt des Eintreffens der elektromagnetischen Welle der Blitzentladung am Empfänger. Aus der Differenz der in den verschiedenen Empfängern aufgezeichneten Zeiten des Eintreffens der elektromagnetischen Welle und den damit verbundenen Laufzeitunterschieden der elektromagnetischen Welle vom Ort der Blitzentladung zu den Empfängern wird der Einschlagsort berechnet. Die so ermittelten Daten werden zentral archiviert und dem Anwender in verschiedenen Leistungspaketen zur Verfügung gestellt. Weitere Informationen zu dieser Dienstleistung sind im Internet unter www.siemens.de/blids abrufbar.
Voraussetzung für die Entstehung von Gewittern ist der Transport warmer Luftmassen mit genügend hoher Feuchtigkeit in große Höhen. Dieser Transport kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Bei Wärmegewittern wird der Erdboden lokal durch intensive Sonneneinstrahlung erhitzt. Die bodennahen Luftschichten erwärmen sich und steigen auf. Bei Frontgewittern schiebt sich als Folge eines Kaltfronteinbruchs kühlere Luft unter die warme und zwingt diese zum Aufstieg. Bei orographischen Gewittern wird warme bodennahe Luft durch Überströmen ansteigenden Geländes angehoben. Durch weitere physikalische Effekte wird der vertikale Auftrieb der Luftmassen noch verstärkt. Es bilden sich Aufwindschläuche mit Vertikalgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h, die mächtig aufgetürmte Quellwolken von typisch 5 – 12 km Höhe und 5 – 10 km Durchmesser erzeugen. Durch elektrostatische Ladungstrennungsprozesse, z. B. Reibung und Zersprühen, werden Wassertröpfchen und Eispartikel in der Wolke aufgeladen.
Im oberen Teil der Gewitterwolke werden Partikel mit positiver Ladung und im unteren Teil mit negativer Ladung angehäuft. Zusätzlich befindet sich am Fuß der Wolke nochmals ein kleines, positives Ladungszentrum. Dieses hat seinen Ursprung in der Koronaentladung, die von Spitzen unter der Gewitterwolke am Boden (z. B. Pflanzen) abgesprüht und durch den Wind hochtransportiert wird. Werden in einer Gewitterzelle aufgrund der zufällig vorhandenen Raumladungsdichten lokale Feldstärken von mehreren 100 kV/m erreicht, entstehen Leader-Entladungen (Leitblitze), die eine Blitzentladung einleiten. Wolke-Wolke-Blitze führen einen Ladungsausgleich zwischen positiven und negativen Wolkenladungszentren herbei und treffen dabei keine Objekte auf der Erdoberfläche direkt. Für die Gefährdung elektrischer und elektronischer Systeme sind sie aufgrund ihrer abgestrahlten elektromagnetischen Impulsfelder (LEMP) dennoch zu berücksichtigen. Erdblitze führen einen Ladungsausgleich zwischen den Wolkenladungen und den auf der Erdoberfläche influenzierten Ladungen durch. Dabei lassen sich zwei Arten von Erdblitzen unterscheiden:
Abwärtsblitze (Wolke-Erde-Blitze),
Aufwärtsblitze (Erde-Wolke-Blitze).
Bei Abwärtsblitzen wird die Blitzentladung durch abwärtsgerichtete Leader-Entladungen von der Wolke zur Erde eingeleitet. Sie treten meist im flachen Gelände und bei niedrigen baulichen Anlagen auf. Erkennbar sind Wolke-Erde-Blitze durch die zur Erde gerichteten Verästelungen (Bild 2.1.1). Am häufigsten treten negative Abwärtsblitze auf, bei denen sich von der Gewitterwolke ein mit negativer Wolkenladung gefüllter Ladungsschlauch (Leader) zur Erde vorschiebt (Bild 2.1.2). Dieser Leader wächst mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 km/h in Abschnitten von einigen 10 m ruckweise vor. Die Pause zwischen den Ruckstufen beträgt einige 10 µs. Hat sich der Leader der Erde genähert (einige 100 m bis einige 10 m), so erhöht sich an nahe dem Leader gelegenen Teilen auf der Erdoberfläche (z. B. an Bäumen oder Gebäudegiebeln) die elektrische Feldstärke. Sie ist so stark, dass die elektrische Festigkeit der Luft überschritten wird und dem Leader von dort aus eine Fangentladung entgegenwächst, die dann mit ihm zusammentrifft und die Hauptentladung einleitet. Positive Abwärtsblitze können aus dem unteren positiven Ladungsbereich einer Gewitterwolke entstehen (Bild 2.1.3). Der Anteil der Polaritäten beträgt etwa 90 % negative Blitze zu 10 % positiven Blitzen. Diese Aufteilung ist abhängig von der geographischen Lage.
Bild 2.1.1
Abwärtsblitz (Wolke-Erde-Blitz) Bild 2.1.2
Entladungsmechanismus eines negativen Abwärtsblitzes (Wolke-Erde-Blitz) Bild 2.1.3
Entladungsmechanismus eines positiven Abwärtsblitzes (Wolke-Erde-Blitz)
An sehr hohen, exponierten Objekten (z. B. Windkraftanlagen, Funkmasten, Fernmeldetürmen, Kirchtürmen) oder auf Bergspitzen können Aufwärtsblitze (Erde-Wolke-Blitze) entstehen. Sie sind an den aufwärts gerichteten Verästelungen der Blitzentladung zu erkennen (Bild 2.1.4). Bei einem Aufwärtsblitz wird die zur Auslösung eines Leaders notwendige hohe elektrische Feldstärke nicht in der Wolke, sondern durch die Verzerrung des elektrischen Feldes am exponierten Objekt und die damit verbundene hohe elektrische Feldstärke erreicht. Ausgehend von diesem Ort schiebt sich der Leader mit seiner Ladungshülle zur Wolke vor. Aufwärtsblitze treten sowohl mit positiver Polarität (Bild 2.1.5) als auch mit negativer Polarität (Bild 2.1.6) auf.
Bild 2.1.4
Aufwärtsblitze (Erde-Wolke-Blitz) Bild 2.1.5
Entladungsmechanismus eines positiven* Aufwärtsblitzes (Erde-Wolke-Blitz) *ergibt sich aus der entnommenen Ladung aus der Wolke Bild 2.1.6
Entladungsmechanismus eines negativen* Aufwärtsblitzes (Erde-Wolke-Blitz) *ergibt sich aus der entnommenen Ladung aus der Wolke
Da bei Aufwärtsblitzen die Leader vom exponierten Objekt an der Erdoberfläche zur Wolke vorwachsen, können hohe Objekte während eines Gewitters mehrere Male von einer Blitzentladung getroffen werden. Wissenschaftliche Messungen, zum Beispiel durch die Blitzforschungsgruppe ALDIS am Gaisberg in Österreich oder durch die Universität der Bundeswehr München am Hohenpeissenberg, zeigen, dass ein hoher Prozentsatz (50 bis über 90 %) direkter Blitzeinschläge in hohen exponierten Anlagen als Aufwärtsblitze klassifiziert werden können. Ein hoher Anteil dieser Langzeitströme weist keine überlagerten kurzzeitigen Stoßströme oder nach dem Abklingen des einleitenden Langzeitstroms keine nachfolgenden Stoßströme auf. Diese reinen Langzeitströme bezeichnet man entsprechend der englischen Bezeichnung „initial continuing current“ (ICC) auch als „ICC-only“-Entladungen. In Abhängigkeit vom Blitztyp besteht jede Blitzentladung aus einem oder mehreren Teilblitzen. Dabei werden Stoßströme mit weniger als 2 ms Dauer und Langzeitströme mit mehr als 2 ms Dauer unterschieden. Weitere Unterscheidungsmerkmale der Teilblitze sind deren Polarität (negativ oder positiv) sowie deren zeitliche Lage in der Blitzentladung (erster, folgender oder überlagerter Teilblitz). Die möglichen Kombinationen der Teilblitze zeigt das Bild 2.1.7 für Abwärtsblitze und das Bild 2.1.8 für Aufwärtsblitze.
Bild 2.1.7
Mögliche Komponenten eines Abwärtsblitzes Bild 2.1.8
Mögliche Komponenten eines Aufwärtsblitzes
Die aus Stoßströmen und auch aus Langzeitströmen bestehenden Blitzströme sind eingeprägte Ströme, d. h., die getroffenen Objekte üben keine Rückwirkung auf die Blitzströme aus. Anhand der im Bild 2.1.7 und Bild 2.1.8 gezeigten Blitzstromverläufe lassen sich vier für die Blitzschutztechnik bedeutsame Wirkungsparameter entnehmen:
Der Scheitelwert des Blitzstromes I
Die Ladung des Blitzstromes QBlitz, bestehend aus der Ladung des Stoßstromes QStoß und der Ladung des Langzeitstromes Qlang
Die spezifische Energie W/R des Blitzstromes
Die Steilheit di/dt des Blitzstromanstieges.
In den nachfolgenden Kapiteln wird aufgezeigt, für welche Wirkungen die einzelnen Wirkungsparameter verantwortlich sind und wie sie die Dimensionierung von Blitzschutzanlagen beeinflussen.