Eine Gefahr des unkontrollierten Überschlages zwischen Teilen des äußeren Blitzschutzes und metallenen Installationen sowie elektrischen Anlagen im Inneren des Gebäudes besteht dann, wenn der Abstand zwischen der Fangeinrichtung oder Ableitung einerseits und metallenen und elektrischen Installationen innerhalb der zu schützenden baulichen Anlage andererseits nicht ausreichend ist.
Durch metallene Installationen, z. B. Wasser-, Klima- und Elektroleitungen, ergeben sich Induktionsschleifen im Gebäude, in die durch das rasch veränderliche magnetische Blitzfeld Stoßspannungen induziert werden. Es muss verhindert werden, dass es durch diese Stoßspannungen zu einem unkontrollierten Überschlag kommt, der gegebenenfalls auch einen Brand verursachen kann. Durch einen Überschlag z. B. auf Elektroleitungen können enorme Schäden an der Installation und bei den angeschlossenen Verbrauchern entstehen. Bild 5.6.1 zeigt das Prinzip des Trennungsabstands.

Bild 5.6.1 Prinzipdarstellung – Trennungsabstand

Die Formel für die Berechnung des Trennungsabstands ist für den Praktiker oft schwierig zu handhaben:

wobei

kivon der gewählten Schutzklasse (LPS) der Blitzschutzanlage abhängt (Induktionsfaktor),
kcvon der geometrischen Anordnung abhängt
kmvom Material in der Näherungsstelle abhängt (Materialfaktor) und
l [m]die Länge entlang der Fangeinrichtung oder der Ableitung von dem Punkt, an dem der Trennungsabstand ermittelt werden soll, bis zum nächstliegenden Punkt des Potentialausgleichs oder der Erdung ist.

Koeffizient ki

Der Koeffizient ki (Induktionsfaktor) der jeweiligen Schutzklasse steht für die Bedrohung durch die Stromsteilheit. Er ist abhängig von der LPS-Schutzklasse und wird in der DIN EN 62305-3, Tabelle 10, vorgegeben (Tabelle 5.6.1).

LPS Schutzklasse

ki

I

0,08

II

0,06

III und IV

0,04

Tabelle 5.6.1 Induktionsfaktor ki

Materialfaktor km

Der Materialfaktor km berücksichtigt die Isolationseigenschaften der Umgebung. Die elektrischen Isolationseigenschaften der Luft werden mit dem Faktor 1 angenommen. Alle anderen festen Werkstoffe, die im Bauwesen verwendet werden (Mauerwerk, Holz etc.) haben eine um die Hälfte schlechtere Isoliereigenschaft als Luft. Auch bei einer installierten Fangstange auf einer Dachfläche gilt es dies zu unterscheiden. Wie in Bild 5.6.2 dargestellt, ist am Fußpunkt der Fangstange zum Dachaufbau ein fester Werkstoff (km = 0,5) und zwischen Oberkante Dachaufbau zur Fangstange eine Isolationsstrecke aus Luft (km = 1) (Tabelle 5.6.2).
Weitere Materialfaktoren neben km 0,5 sowie 1 sind normativ nicht genannt. Abweichende Werte müssen prüftechnisch oder rechnerisch nachgewiesen werden. Für das verwendete Material GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff) wird bei den Produkten für getrennte Fangeinrichtungen von DEHN (DEHNiso-Distanzhalter, DEHNiso-Combi) der Faktor 0,7 spezifiziert. Dieser Faktor kann wie die anderen Materialfaktoren in die Berechnung eingesetzt werden.

Werkstoff in der Trennungsstrecke

km

Luft

1

Beton, Ziegel

0,5

DEHNiso

0,7

Tabelle 5.6.2 Materialfaktor km
Bild 5.6.2 Materialfaktoren bei einer Fangstange auf einem Flachdach

Entsprechend der DIN EN 62305-3, Beiblatt 1, kann bei einer mehrschaligen Mauerwerkskonstruktion der Faktor km rechnerisch ermittelt werden. Dieser setzt sich zusammen aus den Materialstärken sowie den Isolationseigenschaften der Materialien (Bild 5.6.3).

Bild 5.6.3 km bei unterschiedlichen Materialien mit Luftstrecke

Die Formel für die Berechnung des km-Faktors lautet:

km gesamtden Gesamtmaterialfaktor darstellt,
l1, l2 … lxdie Materialstärken angeben,
lg die Gesamtmaterialstärke angibt,
km 1, 2 … kmxdie Isolationseigenschaft des jeweiligen Materials definieren.

Bei einem Wandaufbau wie im Bild 5.6.3 dargestellt, ist der Materialfaktor km gesamt wie folgt zu berechnen:

km gesamt = 0,573

Meist werden jedoch bei mehrschaligen Mauerwerkskonstruktionen Verbindungselemente zwischen den Materialien (z. B. Beton, Klinker, Wärmedämmung-Verbundsystem) verwendet (Bild 5.6.4). Somit kann nicht von einer Luftstrecke zwischen den beiden Materialien ausgegangen werden. Der Gesamtmaterialfaktor für diese Konstellation ist entsprechend niedriger:

km gesamt = 0,427

Generell empfiehlt es sich, von der schlechtesten Situation auszugehen und den Materialfaktor km = 0,5 zu verwenden.

Bild 5.6.4 km bei unterschiedlichen Materialien ohne Luftstrecke

Länge l

Die Länge l (Bild 5.6.1) ist die reale Länge entlang der Fangeinrichtung oder der Ableitung vom Punkt, an dem der Trennungsabstand ermittelt werden soll, bis zum nächstliegenden Punkt des Potentialausgleichs (z. B. Äquipotentialfläche) oder der Erdungsanlage. Bei Gebäuden mit Fundamenterder oder kombinierten Erdungsanlagen bilden diese in Kombination mit einem konsequent durchgeführten Blitzschutz-Potentialausgleichs eine sogenannte Äquipotentialfläche. Diese Fläche ist die Bezugs­ebene für die Ermittlung der Länge l.

Soll bei hohen Gebäuden eine Äquipotentialfläche geschaffen werden, so müssen bauseits gewisse Grundanforderungen gegeben sein. Exakte Beschreibungen hierzu im Kapitel 5.6.1.
Ansonsten ist auch bei hohen Gebäuden, als Basis für die Länge l, die Äquipotentialfläche des Fundamenterders / Erders als Bezugspunkt zu verwenden. Bei großen Höhen von Gebäuden wird es schwieriger, die geforderten Trennungsabstände einzuhalten.

Stromaufteilungskoeffizient kc

Der Faktor kc berücksichtigt die Stromaufteilung im Ableitungssystem des äußeren Blitzschutzes. In der Norm sind verschiedene Berechnungsformeln für kc angegeben. Um vor allem bei höheren Gebäuden in der Praxis noch realisierbare Trennungsabstände zu erreichen, wird die Installation von Ringleitungen empfohlen. Durch diese Vermaschung wird eine Symmetrierung des Stromflusses erreicht, was sich reduzierend auf den notwendigen Trennungsabstand auswirkt.

Der Potentialunterschied zwischen den Installationen des Gebäudes und den Ableitungen ist nahe der Erdoberfläche gleich Null. Mit zunehmender Höhe wird die Potentialdifferenz größer. Diesen Potentialtrichter kann man sich wie einen auf der Spitze stehenden Kegel vorstellen (Bild 5.6.1). Somit ist der einzuhaltende Trennungsabstand auf der Spitze des Gebäudes oder auf der Dachfläche am größten und wird in Richtung Erdungsanlage immer geringer. Dadurch kann es erforderlich werden, den Abstand zu den Ableitungen mehrfach zu berechnen, mit einer unterschiedlichen Länge l.
Die Berechnung des Stromaufteilungskoeffizienten kc ist häufig aufgrund der unterschiedlichen Bauwerke nicht einfach.

Stromaufteilungskoeffizient k, einzelne Fangstange

Wird ein einzelner Fangmast z. B. neben dem Gebäude errichtet, fließt in dieser einen Fang- und Ableitung der gesamte Blitzstrom. Der Faktor kc ist also gleich 1. Der Blitzstrom kann sich hier nicht aufteilen. Dadurch wird es oftmals schwierig, den Trennungsabstand einzuhalten. Im Bild 5.6.5 kann dies erreicht werden, wenn der Fangmast (z. B. Tele-Blitzschutzmast) weiter vom Gebäude entfernt aufgestellt wird.

Bild 5.6.5 Fangmast mit kc = 1

Stromaufteilungskoeffizient k, vereinfachter Ansatz

Um einfach und schnell kc abschätzen zu können, kann der Wert in Abhängigkeit der Anzahl der Ableitungen, wie in Tabelle 5.6.3 dargestellt, angenommen werden. Der vereinfachte Ansatz ist nur dann möglich, wenn die größte horizontale Ausdehnung der baulichen Anlage (Länge oder Breite) nicht viermal größer als die Höhe ist.

Anzahl der Ableitungen n

kc

1 (nur im Fall eines getrennten Blitzschutzsystems)

1

2

0,66

3 und mehr

0,44

Tabelle 5.6.3 Stromaufteilungskoeffizient k, vereinfachter Ansatz

Die kc-Werte gelten für Erder des Typs B. Bei Erdern des Typs A, bei denen die Erdwiderstände der benachbarten Erderelektroden (Tiefenerder) sich nicht um mehr als einen Faktor 2 voneinander unterscheiden, können auch diese kc-Werte verwendet werden. Weichen jedoch die Erdwiderstände von einzelnen Elektroden um mehr als einen Faktor 2 voneinander ab, so sollte kc = 1 angenommen werden.

Stromaufteilungskoeffizient k, zwei Fangstangen / Ableitungen miteinander verbunden

Werden zwei Fangstangen oder Fangmaste überspannt, so kann sich der Blitzstrom auf zwei Strompfade aufteilen (Bild 5.6.6). Die Aufteilung findet allerdings aufgrund der unterschiedlichen Längen (Impedanzen) nicht 50 % zu 50 % statt, da der Blitz nicht immer genau die Mitte der Anordnung trifft (gleiche Impedanzen), sondern auch im Verlauf der Fangeinrichtung einschlagen kann. Dieser ungünstigste Fall wird mit der Berechnung des Faktors kc bei nachfolgender Formel berücksichtigt:

hLänge der Ableitung
cAbstand der Fangstangen oder der Fangmaste zu­­­einander.
Bild 5.6.6 Ermittlung von kc bei zwei Masten mit Seil-Überspannung und Erder Typ B

Eine Erdungsanlage des Typs B wird in dieser Berechnung vorausgesetzt. Sind Einzelerder des Typs A vorhanden, so sind diese untereinander zu verbinden.Nachfolgendes Beispiel zeigt die Berechnung des Koeffizienten kc bei einem Satteldach mit zwei Ableitungen (Bild 5.6.7). Es ist eine Erdungsanlage vom Typ B (Ring- oder Fundamenterder) vorhanden:

Bild 5.6.7 Ermittlung von kc beim Satteldach mit 2 Ableitungen

Stromaufteilungskoeffizient kc und Trennungsabstand s bei Satteldach oder Flachdach mit ≥ 4 Ableitungen

Die Anordnung der Ableitungen nach Bild 5.6.7 sollte auch bei einem Einfamilienhaus nicht mehr errichtet werden. Durch zwei weitere Ableitungen, also in Summe 4, wird der Stromaufteilungskoeffizient kc wesentlich verbessert (Bild 5.6.8). Zur Berechnung wird folgende Formel angesetzt:

hLänge der Ableitung bis zur Dachrinne des Gebäudes, als ungünstigster Punkt für eine Blitzeinkopplung
cAbstand der Ableitungen zueinander
nist die Gesamtzahl der Ableitungen.

Ergebnis: kc ≈ 0,51.

Bild 5.6.8 Satteldach mit 4 Ableitungen

Die Gleichung ist eine Annäherung für räumliche Strukturen und für n ≥ 4. Die Werte von h und c werden im Bereich 3 m bis 20 m angenommen. Wenn innere Ableitungen vorhanden sind, sollen sie bei der Anzahl n berücksichtigt werden.
Bei baulichen Anlagen mit Flachdächern wird der Stromaufteilungskoeffizient kc wie folgt berechnet. Eine Erderanordnung Typ B wird dabei vorausgesetzt (Bild 5.6.9):

hAbstand oder Höhe zwischen Ringleitern
cAbstand einer Ableitung zur nächsten Ableitung
ndie Gesamtzahl der Ableitungen.

Die Abstände der Ableitungen basieren auf der Schutzklasse (Tabelle 4 der DIN EN 62305-3). Eine Abweichung der Abstände von +/- 20 % ist zulässig, solange der mittlere Abstand der Tabelle 4 entspricht. Der Abstand c definiert somit den größten Abstand zwischen den symmetrisch angeordneten Ableitungen.

Bild 5.6.9 Werte des Koeffizienten kc im Falle eines vermaschten Fangleitungsnetzes und einer Erderanordnung Typ B

Detaillierter Ansatz zur Bestimmung des Trennungsabstands s

Neben den oben erläuterten Möglichkeiten zur Bestimmung des Stromaufteilungskoeffizienten kc sowie des Trennungsabstands s, gibt es noch ein detailliertes Berechnungsverfahren. Bei Gebäuden mit vermaschten Blitzschutzsystem erhält man aufgrund der Vielzahl von Strompfaden, welche durch Flachdachleitungen sowie Ableitungen entstehen, eine gute Stromaufteilung. Dies wirkt sich positiv vor allem auf die Höhe des Trennungsabstands aus. Bei einem, wie in Bild 5.6.10 dargestellten Dachaufbau auf einem Gebäude, kann mittels eines detaillierten Ansatzes der Trennungsab­­stand s möglichst genau berechnet werden. Die allgemeine Berechnungsformel hierfür lautet:

kc1, kcnStromaufteilungskoeffizient entsprechend der Anzahl der Strompfade
l1, ln Leitungslänge bis zum nächsten Knotenpunkt.

Die kc-Werte sind abhängig von der Anzahl der Strompfade. Somit ergibt sich folgende Regelung:

  • kc = 1 Von der Näherungsstelle bis zum 1. Knotenpunkt.

Ab dem 1. Knotenpunkt bis zum nächsten Knotenpunkt ist der kc2 abhängig von der Anzahl der Fortleitungen:

  • kc = 0,5 bei zwei Fortleitungen
  • kc = 0,33 bei drei Fortleitungen
  • kc = 0,25 bei vier Fortleitungen.

In jedem weiteren Knotenpunkt wird der vorhergehende kc-Wert halbiert. Der geringstmögliche kc-Wert sollte „1/Anzahl der Ableitungen“ nicht unterschreiten.

Bild 5.6.10 Werte des Koeffizienten kc beim System aus mehreren Ableitungen entsprechend Bild C.5 der DIN EN 62305-3

Beispiel: Zur Verdeutlichung ist nachfolgend der Trennungsabstand s für ein Flachdach mit Dachaufbau beschrieben.
Auf dem Dach eines Gebäudes (Bild 5.6.11 und Bild 5.6.12) mit Schutzklasse (LPS) II wurde eine Klimaanlage errichtet.

Bild 5.6.11 Stromaufteilung bei mehreren Ableitungen
Bild 5.6.12 Beispiel Dachaufbau; System mit mehreren Ableitungen

Daten des Gebäudes:

  • Blitzschutzklasse II
  • Induktionsfaktor ki 0,06
  • Länge 60 m
  • Breite 60 m
  • Höhe 7 m
  • Anzahl der Ableitungen 24
  • Kleinster kc-Wert (1/Anzahl der Ableitungen) kcmin = 0,042
  • Erdungsanlage, Fundamenterder Typ B -1,0 m.

Die Klimaanlage soll mit zwei diagonal angeordneten Fangstangen in den einschlaggeschützten Bereich (LPZ 0B) gebracht werden. Der Trennungsabstand soll am Fußpunkt der Fangstange ermittelt werden. Aufgrund der engmaschigen Leitungsverlegung auf der Dachfläche bilden sich Strompfade mit unterschiedlichen Leitungslängen aus. Zudem teilt sich der Blitzstrom entsprechend der Knotenpunkte wie folgt auf:

  • 1. Fußpunkt Fangstange (zwei Fortleitungen)
    kc1 = 0,5 mit einer Leitungslänge l1 von 8,0 m
  • 2. Knotenpunkt 1 (zwei Fortleitungen)
    kc2 = 0,25 mit einer Leitungslänge l2 von 4,0 m
  • 3. Knotenpunkt 2 (zwei Fortleitungen)
    kc3 = 0,125 mit einer Leitungslänge l3 von 10,0 m
  • 4. Knotenpunkt 3 (drei Fortleitungen)
    kc4 = 0,063 mit einer Leitungslänge l4 von 10,0 m
  • 5. Knotenpunkt 4 (drei Fortleitungen)
    kc5 = 0,042 mit einer Leitungslänge l5 von 8,0 m.

Der Trennungsabstand wird wie folgt berechnet:

s = 0,87 m bei festem Baustoff

Am Fußpunkt des Klimagerätes ist ein Trennungsabstand von 0,87 m in festem Baustoff einzuhalten.