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9.26
Blitz- und Überspannungsschutz für intelligente Ortsnetzstationen
Ausgangssituation
Bedingt durch die grundlegenden Veränderungen in den Stromversorgungsnetzen hinsichtlich multipler volatiler dezentraler Einspeisungen, den damit einhergehenden stark veränderlichen Lastflüssen und zunehmenden Spannungsschwankungen, aber auch geschuldet einer fortschreitenden Alterung vorhandener Netzstrukturen, sind zunehmende Aufwendungen zur Sicherstellung der gebotenen Versorgungssicherheit, Netzstabilität und Verfügbarkeit erforderlich. Um diesen Punkten Rechnung tragen zu können, gibt es eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Da der konventionelle (klassische „kupferbasierte“) Netzausbau oft sehr kostenintensiv ist, gilt es durch einen passenden Mix von unterschiedlichen modularen Ergänzungen eine insgesamt wirtschaftliche und ganzheitliche Lösung zu finden.
Erreicht werden kann dies beispielsweise durch die Integration von „intelligenten“ Technologien wie Monitoring- und Fernwirktechnik, Längsspannungsregler, regelbare Ortsnetztransformatoren (RONT) oder abgestimmte Gesamtkonzepte in intelligenten Ortsnetzstationen. Alle „intelligenten“ Komponenten haben aber einen gemeinsamen Nenner: Die empfindliche „smarte“ Elektronik muss vor Blitz- und Überspannungen bzw. elektromagnetischer Beeinflussung geschützt werden. Dies gilt für alle elektrisch leitende Systeme, d. h. sowohl für die Energietechnik als auch für die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT).
Als wichtigstes Bindeglied an der Nahtstelle zwischen Mittel- und Niederspannung gelten die Ortsnetzstationen (ONS). Jahr für Jahr wird ein Teil hiervon ersetzt, modernisiert oder es kommen neue hinzu. Die Anzahl der „intelligenten“ elektronischen Systeme im Energienetz nimmt somit stetig zu.
Werden hierbei Kernkomponenten wie beispielsweise
Monitoring und Fernwirktechnik / Fernmeldetechnik
RONT und Längsspannungsregler
Kommunikations- und Steuereinrichtungen
fernbedienbare Lasttrennschalter / Leistungsschalter auf der Mittelspannungsebene, etc.
verbaut, spricht man auch von einer intelligenten Ortsnetzstation.
Mit den dadurch ermittelten Informationen erhält man nicht nur genaue Aussagen über die Spannungsverhältnisse im Niederspannungsnetz, sondern kann auch mit Hilfe der Kernkomponenten unmittelbar auf vorhandene Abweichungen reagieren und erreicht somit eine verbesserte Auslastung und Netzstabilität. Durch die insgesamt steigende Komplexität und Anzahl der „intelligenten“ elektronischen Systeme in der Energielandschaft, nimmt auch die Wahrscheinlichkeit von Schäden durch Blitz- und Überspannungen oder elektromagnetischer Beeinflussung an elektronischen Einrichtungen in starkem Maße zu. Dies sind Folgen
der immer breiteren Einführung elektronischer Geräte und Systeme,
der abnehmenden Signalpegel und damit zunehmenden Empfindlichkeit sowie der
immer weiter fortschreitenden, großflächigen Vernetzung.
Obwohl Zerstörungen an elektronischen Bauteilen oft nur wenig spektakuläre Spuren hinterlassen, sind sie häufig mit lang andauernden Betriebsunterbrechungen verbunden. Die Kosten der Folgeschäden und Haftungsfragen sind dabei teilweise wesentlich höher als die eigentlichen Hardwareschäden. Um hier einen sicheren und störungsfreien Betrieb der eben beschriebenen Sekundär- und Übertragungstechnik mit höchster Verfügbarkeit zu ermöglichen, ist ein umfassendes Gesamtschutzsystem hinsichtlich Blitz- und Überspannungsschutz erforderlich.
Risikoabschätzung
Die Schadensquellen bzw. Ursachen für die Störung oder gar Zerstörung von Elektronikkomponenten sind sehr vielfältig und reichen von direkten und indirekten Blitzbeeinflussungen bis hin zu Überspannungen durch Schalthandlungen, Erd- und Kurzschlüssen oder Auslösen von Sicherungen (SEMP = Switching Electromagnetic Pulse). In Bezug auf Blitzeinschläge kann man diese abhängig von der Einschlagstelle nach DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2) in vier Gruppen unterteilen:
Direkter Blitzeinschlag in die bauliche Anlage
Blitzeinschlag neben die bauliche Anlage
Direkter Blitzeinschlag in die eingeführte Versorgungsleitung
Blitzeinschlag neben der eingeführten Versorgungsleitung.
Leitungsgebundene Störimpulse können in die Netzstation sowohl über die Oberspannungs- als auch über die Unterspannungsseite übertragen werden. Dies ergeben beispielsweise nicht nur theoretische Betrachtungen anhand von geometrischen Faktoren einer Mittelspannungsfreileitung in Kombination mit der Erdblitzdichte. Auch die praktischen Erfahrungen von Netzbetreibern haben für Deutschland eine Übereinstimmung von bis zu sechs direkten Blitzeinschlägen pro Jahr und 100 Kilometer Freileitungslänge gezeigt.
Im Falle zweidrahtgebundener Kommunikationsschnittstellen ergibt sich ein weiterer Kopplungspfad. Dabei wäre ein direkter Blitzschlag als Bedrohungsgröße in das jeweilige Leitungssystem denkbar oder auch der so genannte Naheinschlag nahe dem jeweiligen Leitungssystem. Die unterschiedlichen möglichen Ursachen für Überspannungen sind in Bild 9.26.1 dargestellt.
Der Gefährdungsradius um den Blitzeinschlagort und die damit verbundene schadhafte Auswirkung kann hierbei mehr als zwei Kilometer betragen. Über die tatsächliche im jeweiligen Versorgungsgebiet gegebene Gewitteraktivität liegen den Netzbetreibern langjährige Erfahrungswerte vor, zusätzlich können Richtwerte über die regional unterschiedlichen Einschlagdichten aus der Karte der Blitzdichte gemäß DIN VDE 0185-305 Teil 2, Beiblatt 1 entnommen werden.
Aufgrund der kleinen Bauweise einer typischen Ortsnetzstation kann das Risiko eines direkten Einschlages zumindest im Bereich geschlossener Bebauung als geringer eingestuft werden. Statistisch wird somit dem Nah- und Ferneinschlag die größte Wahrscheinlichkeit zugesprochen werden können und daher sind diese auch als die am häufigsten auftretende Fälle zu bewerten. Im Falle von größeren oder frei stehenden, möglicherweise in exponierter Lage befindlichen Stationen ist die Situation individuell zu prüfen und zu bewerten. Beurteilt man die genannten Technologien nach diesen Kriterien in Kombination mit vorhandenen Praxiserfahrungen, wird man beispielsweise je nach lokaler Gewitteraktivität, Bauweise und Aufstellungsort zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Risikoabschätzung kommen.
Normung
Bei der Auslegung des Schutzkonzeptes dienen die Normen der Reihe DIN EN 62305 als Basis. Um Schäden durch Blitzeinwirkungen zu minimieren, lassen sich aus den relevanten Schutznormen die folgenden Lösungsansätze ableiten:
Das Gesamtrisiko für einen Blitzschaden setzt sich wie bereits erwähnt gemäß DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2) aus der Häufigkeit eines Blitzeinschlages, der Schadenswahrscheinlichkeit und dem Verlustfaktor zusammen.
Materielle Schäden und Lebensgefahr bei direkten Blitzeinschlägen in eine bauliche Anlage können durch eine klassische Blitzschutzanlage (LPS = Lightning Protection System) nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) minimiert werden.
Für den Schutz bei baulichen Anlagen mit elektrischen und elektronischen Systemen, besonders wenn hohe Anforderungen an deren Funktions- und Versorgungssicherheit gestellt werden, muss darüber hinaus auch der Schutz dieser Systeme gegen leitungsgebundene und gestrahlte Störungen sichergestellt werden. Störungen dieser Art entstehen durch den elektromagnetischen Blitzimpuls (LEMP = Lightning Electromagnetic Pulse) bei direkten und indirekten Blitzeinschlägen. Diese Forderung kann durch ein LEMP-Schutzsystem nach DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4) erfüllt werden. Um ein durchgängiges und funktionierendes Überspannungsschutzkonzept zur erreichen, muss zudem die energetische Koordination zwischen den Ableitertypen nach DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4) sichergestellt sein.
Neben der DIN VDE 0100-100 (VDE 0100-100) beschreibt vor allem die DIN VDE 0100-443 (VDE 0100-443) den Schutz von elektrischen Anlagen bei Überspannungen, die infolge atmosphärischer Entladungen oder infolge von Schaltvorgängen verursacht werden. Dabei werden die Transienten betrachtet, die über das Stromversorgungssystem eingekoppelt werden. Im Anwendungsbereich sind neben Überspannungen, die durch Blitzeinschläge in der Nähe der Versorgungsleitungen entstehen, auch direkte Blitzeinschläge in die Versorgungsleitung berücksichtigt. Hiernach muss ein Überspannungsschutz auch in Gebäuden ohne äußeren Blitzschutz installiert werden, sofern Auswirkungen beispielsweise in Bezug auf öffentliche Einrichtungen und Gewerbe- oder Industrieaktivitäten zu erwarten sind.
Schutzmaßnahmen
Der komplette Blitzschutz (LP – Lightning Protection) einer intelligenten Ortsnetzstation besteht aus dem Blitzschutzsystem (LPS – Lightning Protection System) inklusive Potentialausgleich und dem Überspannungsschutz (SPM – Surge Protection Measures) zum Schutz der elektrischen und elektronischen Einrichtungen. Für die Planung von Schutzmaßnahmen ist es vorteilhaft, die intelligente Ortsnetzstation in Blitzschutzzonen (LPZ – Lightning Protection Zone) einzuteilen. Nachfolgend wird schwerpunktmäßig die Realisierung von Blitz- und Überspannungs-Schutzmaßnahmen für die elektrischen und elektronischen Geräte / Systeme / Sekundärtechnik einer intelligenten Ortsnetzstation aufgezeigt.
Blitzschutzzonen-Konzept
Das Blitzschutzzonen-Konzept ist eine Strukturierungsmaßnahme, um innerhalb eines Objektes ein definiertes EMV-Klima (EMV – Elektromagnetische Verträglichkeit) zu schaffen. Das definierte EMV-Klima wird durch die Störfestigkeit der verwendeten elektrischen Betriebsmittel spezifiziert. Das Blitzschutzzonen-Konzept beinhaltet daher als Schutzmaßnahme, die leitungs- und feldgebundenen Störgrößen an Schnittstellen auf vereinbarte Werte zu reduzieren. Aus diesem Grund wird das zu schützende Objekt in Schutzzonen unterteilt. Die Bestimmung der Zonen LPZ 0A , also der Anlagenteile, die einem direkten Blitzeinschlag ausgesetzt sein können, und LPZ 0B , die jenen Anlagenteilen zugeordnet wird, die z. B. durch externe Fangeinrichtungen vor Direkteinschlägen geschützt sind, erfolgt durch das Blitzkugelverfahren.
Bild 9.26.2a und Bild 9.26.2b zeigen die prinzipielle Anwendung des Blitzkugelverfahrens für zwei unterschiedliche Szenarien (exponiert / nicht exponiert). Dabei ist die Einteilung in Blitzschutzzonen vom Aufbau der intelligenten Ortsnetzstation abhängig. Sie sollen deren Struktur berücksichtigen. Entscheidend ist jedoch, dass die von außen in der Blitzschutzzone LPZ 0A einwirkenden Blitzparameter an allen Zonengrenzen durch geeignete Schirmungsmaßnahmen und den Einbau von Überspannungsschutzgeräten soweit reduziert werden, dass die innerhalb der intelligenten Ortsnetzstation befindlichen elektrischen und elektronischen Geräte / Systeme / Sekundärtechnik störungsfrei betrieben werden können.
Bild 9.26.2a
Blitzkugelverfahren bei einer ONS in exponierter Lage mit Fangstangen Bild 9.26.2b
Blitzkugelverfahren bei einer ONS in umbauter Lage
Maßnahmen zum äußeren Blitzschutz
Zum äußeren Blitzschutz gehört neben den Fangeinrichtungen und Ableitungen auch die Erdungsanlage. Letztere spielt gerade bei einer ONS eine entscheidende Rolle. Die Fangeinrichtungen und die Ableitungen hingegen kommen bei einer ONS beispielsweise in exponierter Lage oder bei größeren Stationen zum Einsatz, da ein direkter Blitzeinschlag verglichen zu indirekten Blitzeinschlägen (leitungsgebundene Blitzteilströme, induktive / kapazitive Kopplung) oder Überspannungen (SEMP) in ländlichen Regionen wahrscheinlicher als in umbauten Gebieten ist.
Hier bietet eine modulare Bauweise von ONS mit vorgesehenen, im optimalen Fall z. B. in der Armierung integrierten, Ableitern und entsprechenden Erdungsfestpunkten / Klemmen große Vorteile. Diese ONS können dann je nach Aufstellungsort mit sehr geringem Aufwand entsprechend ausgerüstet werden. Insgesamt hat somit das äußere Blitzschutzsystem (LPS) die Aufgabe, direkte Blitzeinschläge einzufangen und den Blitzstrom vom Einschlagpunkt zur Erde abzuleiten. Weiterhin dient es dazu, den Blitzstrom großflächig in der Erde zu verteilen, ohne thermische oder mechanische Schäden oder gefährliche Funkenbildung zu verursachen, die einen Brand oder eine Explosion auslösen und Personen gefährden können. Die potentiellen Einschlagstellen in einer ONS können mit Hilfe des Blitzkugelverfahrens bestimmt werden (Bild 9.26.2a und Bild 9.26.2b). Zur Ermittlung der Einschlagstelle wird die Blitzkugel mit einem bestimmten Radius (abhängig von der Schutzklasse) über die ONS gerollt. Überall dort, wo die Blitzkugel die ONS berührt, sind potentielle Einschlagpunkte und somit Fangeinrichtungen erforderlich.
Getrennte Fangeinrichtung / Ableitung
Die getrennte Fangeinrichtung ist auch erforderlich, wenn beispielsweise Außenantennen zum Einsatz kommen. Somit kann vermieden werden, dass Teile der Antennenanlage durch direkten Blitzeinschlag beschädigt werden. Zudem wird hierdurch gewährleistet, dass keine Blitzteilströme über das Antennenkabel ins Innere der ONS geleitet werden. Auf eine richtige und sinnvolle Dimensionierung der getrennten Fangeinrichtung ist zu achten. Prinzipiell muss sichergestellt sein, dass die Ableitung den Beanspruchungen standhält bzw. dass die ONS für diesen Zweck konstruiert / ausgelegt wurde. Die weitere Armierung bildet zudem einen Faraday’schen Käfig. Auch hier muss sichergestellt sein, dass die zusätzlichen Leiter im Faraday’schen Käfig so ausgelegt sind, dass sie dem Anteil des Blitzstromes standhalten, dem sie ausgesetzt sein können. Alternativ können die Ableitungen auch außen an der ONS angebracht werden.
Erdungsanlage
Erdungsanlagen und Erdungssysteme sind eine elementare Basis für eine funktionierende Stromversorgung (Bild 9.26.3). Die Bildung von Hochspannungsschutz- und Niederspannungsbetriebserde, die Gewährleistung der Schutzmaßnahmen und die Spannungsbegrenzung auf zulässige Höchstwerte auch im Fehlerfall, die Grundlage aller Potentialausgleichs- und Blitzschutzmaßnahmen sowie die Sicherstellung des Personen- und Sachschutzes zählen zu den zentralen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erdungsanlage. Ungeachtet dessen, gerieten die Erfahrung und die Diskussion über Erdungsanlagen ein wenig in den Hintergrund. Funktionierende Erdungen werden oftmals, ohne zu hinterfragen, als gegeben vorausgesetzt. Deshalb, und auf Grund der Komplexität, werden die wichtigsten physikalischen und normativen Hintergründe, die richtige Dimensionierung von Erdungsanlagen hinsichtlich Strombelastung und Korrosion in separaten Dokumenten anhand eines Musterprojektes sowie in Kapitel 5.9 unseres BLITZPLANERS beleuchtet und technische Ansätze aufgezeigt.
Bild 9.26.3
Schematische Darstellung der Erdungsanlage einer Netztransformatorenstation
Maßnahmen des inneren Blitzschutzes
Um die Stations-, Sekundär- und Fernwirktechnik schützen zu können, ist in jedem Falle die Versorgungsspannung abzusichern und im Falle kabelgebundener Übertragung der Schwachstromsignale auch die Kommunikationsschnittstelle. Vergleichbares gilt für die Übertragungstechnik mit extern angebrachten Antennen, die Überspannungen lediglich durch die Feldeinwirkung des Blitzkanals zu erwarten haben.
Schutz der Leitungen am Übergang von Blitzschutzzone LPZ 0A auf LPZ 1 und höher
Für den sicheren Betrieb der elektrischen und elektronischen Geräte ist neben der Schirmung gegen feldgebundene Störgrößen auch der Schutz gegen leitungsgebundene Störgrößen an den Schnittstellen der Blitzschutzzonen (LPZ) zu realisieren. Am Übergang LPZ 0A auf LPZ 1 (auch als Blitzschutz-Potentialausgleich bezeichnet) müssen Schutzgeräte eingesetzt werden, die in der Lage sind, erhebliche Blitzteilströme zerstörungsfrei abzuleiten. Diese Schutzgeräte werden als Blitzstrom-Ableiter SPD Typ 1 bezeichnet und mit Stoßströmen der Wellenform 10/350 μs geprüft. Am Übergang LPZ 0B auf LPZ 1 und höher sind energieschwache Stoßstromimpulse als Folge von außen induzierten Spannungen oder im System selbst erzeugten Überspannungen zu beherrschen. Diese Schutzgeräte werden als Überspannungs-Ableiter SPD Typ 2 bezeichnet und mit Stoßströmen der Wellenform 8/20 μs geprüft.
Nach dem Blitzschutzzonen-Konzept sind an der Schnittstelle zwischen LPZ 0A und LPZ 1 oder zwischen LPZ 0A und LPZ 2 ausnahmslos alle von außen kommenden Kabel und Leitungen mit Blitzstrom-Ableitern SPD Typ 1 in den Blitzschutz-Potentialausgleich einzubeziehen. Bei jeder weiteren Zonenschnittstelle innerhalb des zu schützenden Volumens ist ein zusätzlicher örtlicher Potentialausgleich einzurichten, in den alle Kabel und Leitungen, die diese Schnittstelle durchdringen, einbezogen werden müssen. Beim Übergang von LPZ 0B auf LPZ 1 und beim Übergang von LPZ 1 auf LPZ 2 sind Überspannungs-Ableiter SPD Typ 2 zu installieren. Beim Übergang von LPZ 2 auf LPZ 3 sind Überspannungs-Ableiter SPD Typ 3 zu installieren. Aufgabe der Überspannungs-Ableiter SPD Typ 2 und Typ 3 ist es, sowohl die Restgröße der vorgelagerten Schutzstufen weiter zu reduzieren als auch die in die ONS induzierten oder dort selbst erzeugten Überspannungen zu begrenzen. Um ein durchgängiges und funktionierendes Überspannungsschutzkonzept zur erreichen, muss zudem die energetische Koordination zwischen den einzelnen Ableitertypen sichergestellt sein.
Die zu schützenden Bereiche der Energietechnik und IKT sind somit: Schutz des Trafos / RONTs, Schutz der NSHV, Schutz von Monitoring und Fernwirktechnik, Schutz von weiteren intelligenten Einrichtungen, etc. (Bild 9.26.4).
Bild 9.26.4
Beispielhafte Darstellung für Blitz- und Überspannungsschutz in einer intelligenten Ortsnetzstation
Auswahl von SPDs anhand des Schutzpegels (Up) und der Störfestigkeit der Betriebsmittel
Zur Beschreibung des geforderten Schutzpegels Up in einer LPZ ist es erforderlich, die Störfestigkeitspegel der Betriebsmittel innerhalb einer LPZ festzulegen, z. B. für Netzleitungen und Anschlüsse von Betriebsmitteln nach lEC 61000-4-5 und lEC 60664-1, für Telekommunikationsleitungen und Anschlüsse von Betriebsmitteln nach lEC 61000-4-5, ITU-T K.20 und ITU-T K.21 sowie für andere Leitungen und Anschlüsse von Betriebsmitteln nach den vom Hersteller angegebenen Informationen. Hersteller von elektrischen und elektronischen Baugruppen oder Geräten sollten in der Lage sein, die benötigten Informationen über den Störfestigkeitspegel nach den EMV-Normen zu liefern. Ansonsten sollte der ONS-Hersteller Prüfungen zur Festlegung des Störfestigkeitspegels durchführen. Der festgelegte Störfestigkeitspegel von Bauteilen in einer LPZ definiert unmittelbar den erforderlichen Schutzpegel, der an den LPZ-Grenzen erzielt werden muss. Die Störfestigkeit eines Systems muss, falls zutreffend, mit allen installierten SPDs und mit den zu schützenden Betriebsmitteln nachgewiesen werden.
Schutz der Energietechnik
Auf Grund der Vielzahl von unterschiedlichen Stationstypen und Ausführungen von Netzstationen, z. B. in Form von begehbaren und nicht begehbaren (kompakten) Stationen, und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Anbindung der Ober- und Unterspannungsseite (Freileitungen und erdverlegte Kabel) ist der Schutz von Fall zu Fall zu beurteilen.
Schutz der NSHV
Betrachtet man etwa eine galvanische Kopplung in das 20 kV Mittelspannungs-Freileitungsnetz oder den abgehenden NS-Leitungen durch einen direkten Blitzeinschlag, ist es erforderlich, eine Schutzeinrichtung in der Niederspannungshauptverteilung einzusetzen. Diese muss so ausgewählt werden, dass sie den auftretenden Anforderungen hinsichtlich Blitzstromtragfähigkeit, Kurzschlussfestigkeit, Folgestromlöschvermögen und temporären Überspannungen (TOV-Charakteristik) standhält. Hierbei eignet sich der Einsatz eines Typ 1 – Kombi-Ableiters auf Funkenstreckenbasis mit integrierter Vorsicherung (CI-Technologie = Circuit Interruption Fuse Integrated, siehe DEHNvenCI in Bild 9.26.5). Neben der signifikanten Platz- und Montageersparnis hinsichtlich einer separaten Ableitervorsicherung, ist die integrierte Vorsicherung dem Ableitvermögen der Funkenstrecke angepasst. Daher ergibt sich eine maximale Leistungsfähigkeit. Fehlinstallationen werden vorgebeugt.
Vorteile DEHNvenCI:
Kombi-Ableiter auf Funkenstreckenbasis mit integrierter Ableitervorsicherung (CI-Technologie)
Mehrfaches zerstörungsfreies Ableiten von Blitzströmen
Wellenbrecherfunktion, Energetisch koordiniert
Löschung von Netzfolgeströmen bis 100 kA
Verglichen zu Varistoren liegt eine galvanische Trennung über die Funkenstrecke vor, d. h. kein Leckstrom bzw. keine Alterung.
Bild 9.26.5
DEHNvenCI: Kombi-Ableiter auf Funkenstreckenbasis mit integrierter Ableitervorsicherung
Alternativ kommen auch Typ 1 Blitzstrom-Ableiter ohne CI-Technologie wie der DEHNbloc (Bild 9.26.6) zum Einsatz.
Bild 9.26.6
DEHNbloc modular: Koordinierter Blitzstrom-Ableiter auf Funkenstreckenbasis
Versorgungsspannung (Sekundärtechnik)
Sofern in Bezug auf die Sekundärtechnik (elektrische und elektronische Geräte) lediglich Auswirkungen durch indirekte Blitzbeeinflussungen wie induktive / kapazitive Kopplung oder SEMP anhand einer Risikobewertung nach DIN EN 62305-2 zu erwarten sind, ist der Einsatz von Überspannungs-Ableiter Typ 2 (z. B. DEHNguard CI in der Unterverteilung, Bild 9.26.7) und Typ 3 (z. B. DEHNrail als Endgeräteschutz, Bild 9.26.8) ausreichend. Die Typ 2-Ableiter für die Spannungsversorgung sind bei mangelhaften Platzverhältnissen ebenso in der beschriebenen kompakten CI-Technologie erhältlich.
Bild 9.26.7
DEHNguard CI: Modularer Überspannungs-Ableiter mit integrierter Vorsicherung Bild 9.26.8
DEHNrail: Überspannungs-Ableiter Typ 3 mit hohem Ableit-vermögen
Um ein präventives Wartungskonzept zu realisieren, ist es auch denkbar, einen Überspannungs-Ableiter mit integrierter Life-Time-Indication-Funktion einzusetzen (DEHNguard SE H LI, Bild 9.26.9). Mit dieser Funktion werden bereits Vorschädigungen erkannt und der Anwender wird rechtzeitig vor Ausfall des Überspannungsschutzes gewarnt. Dadurch ist auch die Einbindung des Ableiters in ein Condition-Monitoring-System möglich. Darüber hinaus kann diese Version ein erhöhtes Ableitvermögen im Vergleich zu herkömmlichen Typ 2-Ableitern vorweisen, was einer erhöhten Schutzwirkung zugutekommt. Da aufgrund der zuvor genannten Eingrenzungen und der räumlichen Unterbringung der Sekundärtechnik direkt in einer intelligenten Ortsnetzstation überwiegend Überspannungen zu erwarten sind bzw. ein direkter Blitzeinschlag in das Stationsgebäude als unwahrscheinlich anzusehen ist, reicht oftmals eine Beschaltung mit Ableitern der Anforderungsklasse Typ 2 und Typ 3 aus. Am Beispiel der 230 V Spannungsversorgung der Monitoring und Fernwirktechnik in separat untergebrachten Gehäusen in der intelligenten Ortsnetzstation bedeutet dies, dass diese mit weiteren Überspannungs-Ableitern z. B. DEHNguard und DEHNrail geschützt werden kann.
Bild 9.26.9
DEHNguard SE H LI: Überspannungs-Ableiter mit integriertem Frühwarnsystem „Lifetime Indication“
In einer intelligenten Ortsnetzstation werden die genannten Überspannungsschutzmaßnahmen zum Schutz der Sekundärtechnik zudem von der unmittelbaren Erdung des Trafosternpunktes unterstützt. Dies unterscheidet den Einsatzort „Netzstation“ ausdrücklich von sonstigen Gebäudeinstallationen. Mögliche Störimpulse auf der Niederspannungsseite des Systems fließen über den niederimpedant geerdeten Trafosternpunkt gut ab.
Schutz der Trafo-Einspeisung / -Steuerung
Der Schutz der MV-Trafoeinspeisung erfolgt, sofern notwendig, durch Mittelspannungsableiter DEHNmid (Bild 9.26.10). Diese sind entsprechend dem Mittelspannungsnetz an dessen Netzform und Spannung anzupassen. Für regelbare Ortsnetztransformatoren gibt es zudem sowohl Schutzkomponenten für die Leistungselektronik zur Regelung auf der Unterspannungsseite als auch Schutz der Komponenten von Steuerboxen zur Regelung auf der Oberspannungsseite. Hier kommen in der Regel ebenfalls Typ 2 Ableiter, zum Beispiel DEHNguard, zum Einsatz.
Bild 9.26.10
DEHNmid: Überspannungs-Ableiter für Mittelspannungssysteme
Schutz der IKT
Überspannungs-Ableiter zum Schutz von elektronischen Einrichtungen in telekommunikations- und signalverarbeitenden Netzwerken vor indirekten und direkten Auswirkungen von Blitzeinschlägen und anderen transienten Überspannungen werden nach IEC 61643-21 und DIN EN 61643-21 (VDE 0845-3-1) beschrieben und nach dem Blitzschutzzonen-Konzept an den Zonengrenzen installiert. Ableiter, die aus mehreren Stufen bestehen, müssen frei von Blind-Spots ausgelegt werden, d. h., es ist sicherzustellen, dass die verschiedenen Schutzstufen zueinander koordiniert sind.
Andernfalls werden Schutzstufen nur teilweise ansprechen und zu Fehlern im Schutzgerät führen. Häufig erfolgt die Einspeisung informationstechnischer Leitungen in die ONS über Glasfaserkabel, Powerline Communication (PLC), zweidrahtgebunden oder koaxial. Die Glasfaserkabel brauchen nicht mit Überspannungs-Ableitern beschaltet werden, da eine Beeinträchtigung durch eine elektromagnetische Umgebung nicht auftreten kann, es sei denn, das Glasfaserkabel hat eine metallene Umhüllung (z. B. auch Nagetierschutz), die dann direkt oder über Überspannungsschutzgeräte in den Potentialausgleich einbezogen werden muss. Ähnliches gilt bei PLC, da hier in der Regel die Versorgungsleitung schon entsprechend geschützt sein sollte und somit die einwandfreie Kommunikation ermöglicht. Im Allgemeinen sind somit folgende Signalleitungen zu beschalten:
Signalleitungen in koaxialer Anschlusstechnik
Signalleitungen für Zweidrahtschnittstellen
Fernmeldeleitungen (z. B. 10 DA-Kabel für SDSL)
Der Ableiter DEHNgate ist ein speziell auf die Einsatzgebiete in Wireless-Applikationen für Geräte- und Antennen-Schnittstellen zugeschnittener Ableiter in koaxialer Anschlusstechnik. Erhältlich ist dieser z. B. mit SMA-, BNC- oder N-Anschluss für die Durchführungsmontage (Bild 9.26.11). Der Kombi-Ableiter der Baureihe BLITZDUCTOR ist ein teilbarer, mehrpoliger, universeller Blitzstrom- und Überspannungs-Ableiter in Reihenklemmentechnik für MSR-Kreise, Bussysteme und Telekommunikationssysteme. Er ist besonders geeignet für Anlagen und Systeme, an die höchste Ansprüche hinsichtlich der Verfügbarkeit gestellt werden (Bild 9.26.12).
Bild 9.26.11
DEHNgate DGA G: Überspannungs-Ableiter mit integriertem Gasentladungsableiter Bild 9.26.12
BLITZDUCTOR: Kombi-Ableiter mit actiVsense-Technologie und integrierter LifeCheck-Überwachung
Eine leichte und schnelle Ableiterprüfung ohne Entfernen des Moduls ermöglicht die LifeCheck-Technologie. Integriert in die Schutzmodule überwacht LifeCheck ständig den Zustand des Ableiters. Entsprechend einem Frühwarnsystem erkennt LifeCheck eine drohende elektrische oder thermische Überlastung der Schutzkomponenten. Der Zustand des Ableiters lässt sich sekundenschnell in berührungsloser RFID-Technik mit dem portablen Ableiterprüfgerät DEHNrecord LC auslesen. Mit der innovativen actiVsense-Technologie erkennt der Ableiter automatisch die anliegende Signalspannung im Bereich von 0 bis 180 V und passt den Schutzpegel optimal an das gerade anliegende Signal an. Dadurch ist der Ableiter auch geeignet für Anwendungen, in denen wechselnde oder langsam schwankende Signalpegel (≤ 400 Hz) zu erwarten sind. Für Fernmeldeleitungen (z. B. 10 DA) gibt es die Ableiterfamilie DEHNrapid LSA als modulares System aus Blitzstrom-, Überspannungs- oder Kombi-Ableitern. Die Ableiter sind steckbar in LSA-Trennleisten der Bauform 2 (Bild 9.26.13) und somit sehr einfach zu installieren. Die integrierte LSA-Trennleistenfunktion im Blitzstrom-Ableiter bietet zudem Schutz beim Prüfen, Trennen und Patchen.
Bild 9.26.13
DEHNrapid LSA: Blitzstrom- / Überspannungs-Ableiter zum Schutz der 10 DA Fernmeldeleitungen
Service und Dienstleistung
Als Experte für Blitz- und Überspannungsschutz bietet DEHN neben Schutzlösungen auch Ausrüstung für den sicheren Umgang mit Elektrizität. Ergänzt wird unser umfangreiches Produktportfolio zudem durch zahlreiche Serviceleistungen.
Prüfdienstleistungen im DEHN Prüf- und Testzentrum
Planungssoftware DEHNsupport Toolbox
Arbeiten unter Spannung als Dienstleistung
Seminare und Workshops der DEHNacademy
Planungsdienstleistung DEHNconcept (u. a. auch die richtige Dimensionierung von Erdungsanlagen, Risikobetrachtungen, Planung des äußeren Blitzschutzes, etc.)
Wiederkehrende Prüfung von Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen, Spannungsprüfern und isolierenden Stangen
Fachbuch BLITZPLANER, Broschüren und Kataloge
Neben der theoretischen Betrachtung und Auslegung können somit Gesamtsysteme und Systemkomponenten auch im DEHN eigenen Prüflabor einen Praxistest hinsichtlich Blitzstromfestigkeit und zum Nachweis der Schutzfunktion unterzogen werden. Auf 800 m2 Fläche bietet das DEHN Prüf- und Testzentrum die modernsten Geräte und Technologien, um Produkte, Anlagen und Systeme der Energietechnik mit Blitzströmen zu testen. Die Prüfanlage im Blitzstromlabor gehört mit Blitzströmen bis 400 kA (10/350 µs) zu den leistungsstärksten Prüffeldern der Welt. DEHN ist auch bei Service und Dienstleistungen ein zuverlässiger Partner mit Lösungen aus einer Hand.