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9.50
Blitz- und Überspannungsschutzkonzept für Rechenzentren
Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen – essenzieller Baustein im Sicherheitskonzept
Rechenzentren sind Eckpfeiler unseres Alltags und die Basis der weiteren Digitalisierung. Sie stellen den Informationsfluss sicher und bieten Datenspeicherdienste für entscheidende Prozesse im Alltag: Ob soziale Netzwerke, Unterhaltung, öffentliche Gesundheit, Energie, Telekommunikation, Verkehr oder staatliche Stellen – sie alle sind auf deren Dienste angewiesen. Verstärkt wurde diese Entwicklung im Zuge der COVID-Pandemie und des daraus resultierenden weltweiten Lockdowns, welche die Nachfrage nach online-basierten Diensten vehement beschleunigten. Mit der wachsenden Bedeutung von Rechenzentren steigt zugleich auch der Druck auf deren Infrastruktur zur Sicherstellung eines uneingeschränkten Datenflusses. Signifikante und dennoch oftmals übersehene Risikofaktoren bilden die Gefahren von Blitz- und Überspannungseinwirkungen. Hier führen fehlende Vorkehrungen mitunter zu weitreichenden Folgen wie Bränden, Ausfallzeiten wichtiger Systeme oder sogar zum Verlust von Daten.
Ein ganzheitliches Blitz- und Überspannungsschutzkonzept ist besonders wichtig, denn ein Rechenzentrum ist weit mehr als nur ein Gebäude. Es besteht aus einer Vielzahl von vernetzten elektrischen und elektronischen Subsystemen, die alle darauf ausgelegt sind, den Informationsfluss aufrechtzuerhalten, indem sie online und jederzeit verfügbar sind. Das Herzstück bilden dabei die Server-Racks mit ihren jeweiligen Speichersystemen. Gestützt werden sie durch weitere Infrastruktur wie z.B. der unterbrechungsfreien USV-Stromversorgung, Kühlung oder Notstromversorgung. Feuer, Stromausfall, Probleme mit der Netzwerkqualität, Überhitzung, Gerätealterung sind weitere Risikofaktoren, die von vielen zusätzlichen Systemen überwacht werden müssen. Sie alle, ihre Funktionsfähigkeit und vor allem ihr reibungsloses Zusammenspiel ist für den normalen Serverbetrieb und dem damit verbundenen kontinuierlichen Datenfluss entscheidend. Als Online-Dienstleister ist es deshalb unerlässlich, dass Rechenzentren über einen umfassenden Schutz 24 Stunden mal 7 Tage über das ganze Jahr (24 x 7 x 365) verfügen. Aus diesem Grund fließt viel Know-how in die Sicherheit, den Betrieb und die Sicherung von Rechenzentren.
Daher sind auch Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen ein essenzieller Baustein in diesem Sicherheitskonzept. Es ist wichtig, sie frühzeitig in der Planung zu berücksichtigen, da in dieser Phase die Implementierung deutlich einfacher ist. Ein Nachrüsten ist oft nur schwer zu realisieren und dann meist mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand verbunden.
Normative Anforderungen
Die EN 50600 ist die erste europaweite und länderübergreifende Norm, die sich mit einem ganzheitlichen Ansatz und umfassenden Vorgaben für die Planung, den Bau und den Betrieb eines Rechenzentrums befasst. In deren Teil 2-2 „Stromversorgung und -verteilung“ von Rechenzentrumseinrichtungen und -infrastruktur werden Maßnahmen zum Blitzschutz gefordert. Konkret nimmt dieser Teil dabei Bezug auf die komplette Normenreihe EN 62305 „Blitzschutz“.
Neben der EN 62305 gibt es allerdings weitere – und in der EN 50600 auch erwähnte – Normen, die beachtet werden müssen, um alle Aspekte des Blitz- und Überspannungsschutzes zu erfassen. Diese sind zum Beispiel:
EN 50174-2, Informationstechnik – Verkabelungsinstallation – Teil 2: Installationsplanung und -praxis in Gebäuden
EN 50174-3, Informationstechnik – Verkabelungsinstallation – Teil 3: Installationsplanung und -praxis außerhalb von Gebäuden
IEC 60364-4-44:2007/A1:2015 – Abschnitt 443: Schutz bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüssen oder von Schaltvorgängen
IEC 60364-5-53 – Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 534: Auswahl und Errichtung von Überspannungsschutzeinrichtungen
DIN EN 61000 Teil 4-9, Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-9: Prüf- und Messverfahren
DIN EN 61000 Teil 4-10, Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-10: Prüf- und Messverfahren
Die Blitzschutznorm EN 62305 bildet die Grundlage für eine normgerechte Gestaltung und Umsetzung von Blitz- und Überspannungsschutzkonzepten sowie Schirmungsmaßnahmen. Sie umfasst die folgenden Gesichtspunkte:
EN 62305-1: Allgemeine Grundsätze. Das Kapitel bietet eine Einführung in das Thema Blitzschutz mit allgemeinen Grundsätzen und Begriffserläuterungen
EN 62305-2: Risiko-Management. Die Risikobewertung ist die Grundlage für die korrekte Umsetzung der in Teil 3 beschriebenen Schutzmaßnahmen
EN 62305-3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. Dieser Teil beschäftigt sich mit der praktischen Ausführung des äußeren Blitzschutzsystems, welches das Gebäude und die darin befindlichen Personen schützt.
EN 62305-4 Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen. Dieser Teil beschäftigt sich mit dem Schutz von elektrischen und elektronischen Systemen gegen die Wirkung des elektromagnetischen Blitzimpulses (Lightning Electromagnetic Pulse – LEMP).
Zur Planung und Umsetzung der relevanten Maßnahmen zum Thema Blitz- und Überspannungsschutz, hat sich in der Praxis das in Bild 9.50.1 vorgestellte Ablaufschema bewährt. Startpunkt ist in der Regel die Risikoanalyse, welche die notwendigen Detailmaßnahmen zum Blitz- und Überspannungsschutz festlegt. Diese liefert eine individuell für das spezifische Gebäude gültige Bewertung nach EN 62305-2. Sie sollte zwischen Planer und Gebäudebetreiber abgestimmt werden. In der Regel entspricht dies für ein Rechenzentrum einem Blitzschutzsystem der höchsten Effektivität, also der Blitzschutzklasse I. Die sich aus der Risikoanalyse ergebenden Schutzmaßnahmen sind dann in den weiteren Normenteilen 3 und 4 der Reihe EN 62305 (internationale Basis-Standards: IEC 62305-3 und IEC 62305-4) detailliert beschrieben. Bei der Beurteilung der Frage nach der Notwendigkeit eines Blitzschutzes ist zu überprüfen, ob Blitzschutz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben gefordert und konkrete Schutzklasse / Schutzmaßnahmen definiert sind. Basierend auf EN 62305, Teil 3 werden folgende Ausführungsdetails definiert wie z.B.
Effektivität des Blitzschutzsystems
Maschenweite des Blitzschutzsystems
Schutzwinkel von Fangstangen
Notwendige Parameter zur Berechnung des Trennungsabstandes
Diese Festlegungen betreffen allerdings vorrangig Vorkehrungen, die physische Schäden an baulichen Anlagen verringern sowie die Gefährdung von Personen verhindern sollen. Für die hohen Sicherheitsanforderungen von Rechenzentren reicht eine derartige Betrachtung allein nicht aus. Um Ausfällen von elektrischen und elektronischen Systemen vorzubeugen, müssen weitere Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Dazu ist es notwendig, die EN 62305-4 einzubeziehen. Diese beschreibt individuelle Maßnahmen, um die empfindlichen integrierten Systeme vor Schäden und Ausfällen zu bewahren.
Risikobewertung
Für die genauere Bewertung von Risiken hilft dem Planer ein vorausschauendes Risikomanagement. Es liefert die Entscheidungsgrundlagen, um vorhandene Risiken zu begrenzen und schafft Transparenz darüber, welche Restrisiken sinnvollerweise über Versicherungen abgedeckt oder welche Ausfallwahrscheinlichkeiten vom Betreiber akzeptiert werden. Ziel der Bewertung ist es, das Risiko für bauliche Anlagen und deren Inhalte durch direkte und indirekte Blitzeinschläge zu quantifizieren. Die in der EN 62305-2 vorgegebene Risikoanalyse stellt dabei sicher, dass ein für alle Beteiligten nachvollziehbares Blitzschutzkonzept erstellt werden kann. Dies ist technisch und wirtschaftlich optimiert, so dass bei möglichst geringem Aufwand der notwendige Schutz sichergestellt ist. Die Vorgehensweise sieht dazu die folgenden Schritte vor:
Bewertung der baulichen Anlage: In einem ersten Schritt erfolgt die Bewertung des Gebäudes, basierend auf dessen Ausstattung, Lage und Gefährdungspotential. Ergebnis dieser Beurteilung ist ein sog. Schadensrisiko (Faktor RX) in Form eines Zahlenwertes, welches einem tolerierbaren Risiko RT gegenüber gestellt wird. Wird dieser Wert überschritten, sind gezielt Maßnahmen zur Risikominimierung auszuwählen. Bild 9.50.2 zeigt hierzu in einer vereinfachten Darstellung den Zusammenhang von Schadensursache, -quellen und -arten. Und ermöglicht dadurch einen ersten Überblick zum Gefährdungspotential. Wird in einem Gesetz, Verordnung, Richtlinie oder der Baugenehmigung eine konkrete Schutzklasse für ein Blitzschutzsystem genannt oder werden konkrete Schutzmaßnahmen aufgeführt, müssen diese realisiert werden. In diesem Fall ist dann eine Risikoanalyse nach EN 62305-2 nicht erforderlich.
Festlegung von Schutzmaßnahmen: Ausgehend von dem ermittelten Schadensrisiko werden in einem weiteren Schritt spezifische Schutzmaßnahmen definiert. Grundlage bildet hierbei die Festlegung eines Gefährdungspegels LPL (engl. Lightning Protection Level) für die bauliche Anlage. Die Einstufung in eine LPL dient im weiteren Planungsverlauf für die Dimensionierung und Auswahl der Schutzmaßnahmen, z. B. Schirmungs- bzw. Potentialausgleichsmaßnahmen. Zudem wird auch die die Schutzklasse des Blitzschutzsystems LPS (engl. Lightning Protection System) durch das LPL festgelegt. Ziel ist es, das Schadensrisiko auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Als weiterer Schutzbaustein folgen Aktivitäten des inneren Blitzschutzes (Überspannungsschutz), welche auf dem sog. Blitzschutzzonen-Konzept basieren.
Die Risikoanalyse ist – insbesondere bei sensiblen und anspruchsvollen Systemen wie Rechenzentren – sehr umfangreich und entsprechend komplex umzusetzen. DEHN unterstützt hier z.B. Planer, Sachverständige, Blitzschutzfachkraft und Projektverantwortliche mit Tools und Services:
So hilft z. B. die DEHNsupport Toolbox bei der Risikobewertung und vereinfacht die Berechnung. Einzelne Parameter können mittels der Software einfach verändert werden. Die Risikobewertung wird automatisch angepasst, ohne die Berechnung komplett neu starten zu müssen.
Auch DEHN bietet Unterstützung als Servicedienstleistung für den Bereich Risikoanalyse. Das Team DEHNconcept führt für Planer eine entsprechende Analyse durch und liefert die fertig erstellten Planungsdokumente. Hierzu müssen im Vorfeld lediglich die notwendigen Eingangsparameter zusammen mit dem Auftraggeber festgelegt werden.
Wie bereits erwähnt, ist die Risikobewertung Grundlage dafür um – gem. EN 62305-3 – in einem weiteren Schritt die ersten Schutzmaßnahmen für den äußeren Blitzschutz zu definieren.
Blitzschutzsystem
Ein vollständiges äußeres Blitzschutzsystem (LPS, engl. Lightning Protection System) besteht nach EN 62305-3 dabei aus den Elementen: Fangeinrichtung, Ableitung, Erdungsanlage, Trennungsabstand und Blitzschutz-Potentialausgleich.
Die Hauptaufgabe des äußeren Blitzschutzsystems ist es, Blitzeinschläge effizient und sicher einzufangen und den Blitzstrom über die Ableitungseinrichtung in die Erdungsanlage zu führen. Gerade bei Rechenzentren mit Blitzschutzklasse I steht man häufig vor der Herausforderung, die benötigte Anzahl an Fangstangen im richtigen Trennungsabstand in Kombination mit den geplanten Schirmungsmaßnahmen auf der Dachfläche unterzubringen. Die Vielzahl von technischen Einrichtungen auf der Dachfläche macht die Realisierung dieser Anforderung oftmals schwer.
Ein konventionelles Blitzschutzsystem besteht bei leeren, flachen Dächern aus einer Kombination von einem Maschennetz mit Fangstangen und ist somit in der Regel eine einfache und elegante Lösung. Schwierig wird dies jedoch, wenn auf dem Dach viele Aufbauten vorhanden sind. So finden sich auf Rechenzentren z.B. Klimageräte, wie Kühltürme und Kältemaschinen, oder PV-Module. Diese Aufbauten machen die korrekte Umsetzung und Einhaltung des geforderten Trennungsabstandes bei einem konventionellen Blitzschutzsystems in der Regel sehr schwierig. Zugleich sind sie den Auswirkungen von Blitzeinschlägen ausgesetzt und bieten Blitzströmen die Möglichkeit, über die angeschlossenen Verbindungskabel in das Rechenzentrum einzudringen. Darüber hinaus werden die meisten Rechenzentren heute mit der Option gebaut, die Anlagen zu erweitern oder zu modernisieren, indem neue Aufbauten hinzugefügt oder die bestehenden in Zukunft neu positioniert werden. In diesen Fällen muss das konventionelle Blitzschutzsystem nachträglich mit großem Aufwand abgeändert werden.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Einhalten der benötigten Trennungsabstände. Der Trennabstand ist in IEC 62305-3 definiert als der „Abstand zwischen zwei leitfähigen Teilen, bei denen keine gefährlichen Funken auftreten können“. Trennungsabstände können dabei mit sinnvoller Nutzung natürlicher Ressourcen (z. B. Gebäudesubstanz als Blitzschutzsystem) durch Bildung von sog. Äquipotentialflächen minimiert werden. Besonders bei Rechenzentren ist dies ein wichtiges Thema. Hier muss auf eine konsequente Nutzung und Umsetzung der Maßnahme geachtet werden, um die hohen Stoßströme von bis zu 200 kA (Wellenform 10/350 μs) schnell und sicher auf eine große Anzahl paralleler Pfade aufzuteilen. Durch die Bildung solcher Äquipotentialflächen (Bild 9.50.3) kann die reale Länge der Fangeinrichtung, die zur Berechnung des Trennungsabstandes benötigt wird, reduziert werden.
Bei Rechenzentren ist es wichtig, durch eine sorgfältige und vorausschauende Planung die natürliche Gebäudesubstanz als Bestandteil des Blitzschutzsystems zu nutzen. Zur korrekten Bildung der Äquipotentialflächen in Verbindung mit den Potentialausgleichsmaßnahmen, sind Maschenweiten von 5 m x 5 m in der Bewehrung vorzusehen. Diese sind jeden Meter mit der vorhandenen Bewehrung zu verbinden. Zielsetzung hierbei ist, möglichst alle metallenen Komponenten z. B. Bewehrungseisen / Stahlstützen an die Potentialebene mit anzubinden, um Potentialdifferenzen zu vermeiden. Zusätzlich müssen alle elektrischen sowie metallenen Installationen / Betriebsmittel (z. B. RLT-Anlagen) an dieses Potentialausgleichsnetzwerk angeschlossen werden. Durch diese Maßnahmen werden Schleifenbildungen bestmöglich reduziert und die Bezugsfläche zur Berechnung des Trennungsabstandes auf die oberste Geschoßdecke des Rechenzentrums verlagert. Die Ableitungseinrichtung sowie die Anbindung an die Erdungsanlage werden damit über die Äquipotentialfläche bereitgestellt.
Ein weiterer Vorteil von Äquipotentialflächen ist die Verringerung der Impedanz des sich daraus ergebenden Potentialausgleichsnetzwerkes. Damit mindert sich das resultierende elektromagnetische Feld und belastet innenliegende elektrische Leitungen und Systeme erheblich geringer. Kann trotz der Errichtung von Äquipotentialflächen der sich daraus ergebende reduzierte Trennungsabstand beispielsweise zu inneren elektrischen Leitungen nicht eingehalten werden, dann sind diese Leitungen über SPDs in den Blitzschutzpotentialausgleich einzubinden. Diese SPDs führen zwar Blitzteilströme, deren Energieinhalt ist jedoch sehr stark reduziert, so dass hier in der Regel Typ 2 bzw. Typ 3 SPDs ausreichend sind (Tabelle 9.50.1).
LPL
Empfehlung Typ 2-Ableiter
Empfehlung Type 2-Ableiter
LPL I
Nennableitstrom ln 20 kA (8/20 μs) / Pol
Nennableitstrom ln 10 kA (8/20 μs) / Ader
LPL II
Nennableitstrom ln 15 kA (8/20 μs) / Pol
Nennableitstrom ln 10 kA (8/20 μs) / Ader
LPL III / IV
Nennableitstrom ln 10 kA (8/20 μs) / Pol
Nennableitstrom ln 10 kA (8/20 μs) / Ader
Tabelle 9.50.1
Empfehlung Typ 2-Ableiter
Speziell für das im Vorfeld erwähnte Anwendungsumfeld bei dicht gedrängten Dachaufbauten bietet eine getrennte Blitzschutzeinrichtung – wie sie die HVI-Leitungen (HVI – High Voltage Insulation) darstellen – klare Vorteile. Sie löst das Problem des „Trennungsabstands“ schnell, ist platzsparend und vereinfacht die Installation der Fangeinrichtung deutlich (Bild 9.50.4).
Das Konzept der HVI-Leitung besteht aus einem blitzstromführenden Leiter, der mit Isolierstoff ummantelt ist, sodass der erforderliche Trennabstand zu anderen leitfähigen Teilen des Gebäudes, elektrischen Leitungen und Rohren, eingehalten wird. Der Leiter besteht aus einem Kupferinnenleiter mit einer hochspannungsbeständigen dickwandigen Isolierung und einem witterungsbeständigen halbleitenden Spezialaußenmantel, der Überschläge entlang der Leiteroberfläche verhindert. Eine Fangeinrichtung mittels HVI-System verhindert die Gefahr, dass bei Rechenzentren dichte Dachaufbauten durch direkte Blitzeinschläge beschädigt werden oder durch Überschläge und das Fließen von Blitzteilströmen die Stromversorgung oder Signalleitungen unterbrochen werden. Unkontrollierte Stoßströme über Verbindungsleitungen ins Innere des Gebäudes werden damit verhindert. Ein isoliertes Blitzschutzsystem sollte auch dann in Betracht gezogen werden, wenn in das Bauwerk eindringende Blitzteilströme empfindliche elektrische oder elektronische Geräte stören oder zerstören könnten.
Erdungssystem
Das Erdungssystem eines Rechenzentrums hat vielfältige Aufgaben. Aus diesem Grund muss auf eine fachgerechte Ausführung ein besonderes Augenmerk gelegt werden, denn im Nachhinein sind Korrekturen technisch nahezu nicht gleichwertig, oder wenn, dann nur mit erheblichem Mehraufwand zu realisieren. Die Erdung ist nicht nur die Fortsetzung der Fangeinrichtung sowie der Ableitungseinrichtung zur Verteilung des Blitzstroms in die Erde, sie ist auch die Grundlage für den niederimpedanten Potentialausgleich, also einer möglichst idealen Äquipotentialfläche. Es ist zu beachten, dass ein gemeinsames globales Erdungssystem für die unterschiedlichen elektrischen Systeme (Blitzschutz-, Mittelspannungs-, Niederspannungs-, Telekommunikations-, Schirmungs- und Potentialausgleichssystem) zu bevorzugen ist. Das so entstandene Erdungssystem wird über Erdungsfestpunkte oder Potentialausgleichschienen mit der Technik im Innern des Rechenzentrums verbunden.
Für die Errichtung von Erdungssystemen bei Gebäuden gelten üblicherweise nationale Normen – in Deutschland z.B. die DIN 18014. In Verbindung mit Blitzschutzsystemen werden die Anforderungen allerdings in der EN 62305-3 definiert. Zudem ist hier die EN 50310 zu beachten. Diese Norm definiert Anforderungen für Planung und Installation von Verbindungen zur Herstellung eines Potentialausgleiches zwischen verschiedenen elektrisch leitenden Bauteilen. Sie bezieht sich insbesondere auf Gebäude und Strukturen, in denen Einrichtungen der Informationstechnik und der Telekommunikation installiert werden.
Bei der Planung von Rechenzentren sind die in der EN 50600-1 beschriebenen Planungsgrundsätze zu beachten. Hinsichtlich der Auslegung gegen elektromagnetische Beeinflussung von Rechenzentren wird dabei unter anderem auf EN 50600-2-2 verwiesen, die ihrerseits zur Berücksichtigung eines LEMP- Schutzkonzeptes auf EN 62305-4 verweist. Damit muss zur Planung von Rechenzentren die EN 62305-4 herangezogen werden.
In der Bodenplatte des Rechenzentrums sollte das Fundament des Potentialausgleichsnetzwerks bzw. der Fundamenterder mit einer Masche von 5 m x 5 m (Bild 9.50.5) errichtet werden. Dieser ist jeden Meter mit der vorhandenen Bewehrung leitend zu verbinden und dient als Fundament des bis zur Dachfläche reichenden Äquipotentialsystems (Bild 9.50.6).
Die notwendige Maschenweite des Funktionspotentialausgleichsleiters in Kombination mit der Maschenweite der Schirmungsmaßnahme, muss in Abhängigkeit des LPLs, der Störfestigkeit der Systeme gegen impulsförmige Magnetfelder sowie der zu erreichenden Dämpfung berechnet werden. Zu berücksichtigen ist auch die räumliche Anordnung der Betriebsmittel. Grundlage bildet hierbei die DIN EN 62305-4 sowie die DIN EN 61000-4-9 als auch DIN EN 61000-4-10.
In der Regel handelt es sich bei Rechenzentren um einen im WU-Beton eingebetteten Erder, der als nicht erdfühlig bezeichnet werden kann. Aus diesem Grund ist unter- oder außerhalb des Fundamenterders ein Ringerder mit einer Maschenweite von 5 m x 5 m (Bild 9.50.7) gefordert. Der Ringerder wird direkt im Erdreich verlegt und unterliegt somit einer hohen Korrosionsbelastung. Es müssen dafür nichtrostende Stähle mit einem Molybdän-Anteil > 2 % z. B. V4A Werkstoff-Nr. 1.4571 / 1.4404 verwendet werden. Der Ringerder ist alle 5 m mit dem Fundamenterder zu verbinden.
Abschirmung und Potentialausgleichsnetzwerk
Ein Blitz, der in kürzester Zeit eine enorme Menge an Energie liefert, erzeugt einen starken elektromagnetischen Impuls – Lightning Electro-Magnetic Pulse (LEMP). Deshalb muss beim Schutz empfindlicher elektronischer Systeme die Gefahr durch induzierte Spannungsimpulse berücksichtigt werden.
LEMP kann dabei sowohl durch einen direkten Blitzeinschlag in das Gebäude als auch durch einen Blitzeinschlag in der Nähe des Gebäudes auftreten. Neben dem Potentialausgleich aller leitfähigen Gebäudeteile (wie in den Kapiteln davor bereits erwähnt) verbessert eine Gebäude- oder Raumschirmung den Schutz vor LEMP erheblich. Schirmungsmaßnahmen können während der Planung und dem Bau des Rechenzentrums noch einfach in die Gebäudestruktur eindesignt und integriert werden. Nachträgliche Maßnahmen sind oft nur mit sehr hohem Aufwand und geringerer Wirksamkeit verbunden.
In Ausnahmen ist ein Rechenzentrum bereits von einer äußeren leitfähigen Metallhülle wie z.B. einer metallenen Vorhangfassade, welche mit dem Potentialausgleichsnetzwerk verbunden ist, umgeben. In den meisten Fällen jedoch, wird das Potentialausgleichsnetzwerk als leitfähiges Netz (z.B. durch Einbeziehen der metallischen Bewehrung) in den Gebäudewänden oder eines bestimmten Gebäudeabschnitts realisiert. Die häufig im Inneren des Rechenzentrums befindlichen Serverräume zum Beispiel, stellen solche Gebäudeabschnitte dar. Diese können in Abhängigkeit der Datensicherheit und der Störfestigkeit der im Raum befindlichen elektronischen Geräte mit einer zusätzlichen Raumschirmung versehen werden. Die gewählte Maschenweite und die zusätzliche Nutzung der Bewehrung beeinflussen maßgeblich die Wirksamkeit dieser Schirmungsmaßnahme (Bild 9.50.8).
Um eine ausreichende Dämpfung des Magnetfeldes zu erreichen, muss bei Rechenzentren eine detaillierte Betrachtung gemäß DIN EN 62304-4 erfolgen. Die Schadenquellen S1 (direkter Einschlag) sowie S2 (Einschlag neben der baulichen Anlage) sind hierbei zu betrachten. Neben den Blitzstromparametern des ersten positiven Stoßstroms (25 kHz) sind zudem Folgestoßströme (1 MHz) bei der Auslegung der Schirmungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Um die Wirksamkeit der Schirmungsmaßnahmen einstufen zu können, sind die rechnerischen Ergebnisse mit maximal zulässigen Referenzwerten nach DIN EN 61000-4-9 sowie DIN EN 61000-4-10 zu Vergleichen. Es handelt sich hierbei um maximale Feldstärken eines impulsförmigen Magnetfeldes. Ausschlaggebend für die Auswahl des Referenzwertes ist der festzulegende Prüfschärfegrad. In der Regel wird der Prüfschärfegrad 3 verwendet welcher die elektromagnetische Umgebung bei Büros- sowie Geschäfts- und Gewerbebereiche repräsentiert. Fenster sowie Türen sind ebenfalls in die Schirmungsmaßnahmen zu integrieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese ebenfalls ein ausreichendes Dämpfungsverhalten aufweisen (z. B. Fenster mit Metallgewebe). Computersimulationen können im Vorfeld der Baumaßnahme einen detaillierten Verlauf der des elektromagnetischen Feldes bei Blitzbeeinflussung liefern.
Ziel ist es, einen annähernd geschlossenen „Faraday’schen Käfig“ um einen definierten Bereich für empfindliche Elektronik ausbilden zu können. In diesem soll das durch Blitzstromimpulse verursachte elektromagnetische Feld so weit reduziert werden, dass die Störgröße, durch die nach EN 62305-4 berechnete Schirmungsmaßnahme, so gedämpft wird, dass die Störfestigkeit der Betriebsmittel nicht überschritten wird. Das Magnetfeld muss also so weit reduziert werden, dass die Störfestigkeit des Betriebsmittels höher ist, als die tatsächliche oder berechnete Belastung am Einbauort.
Zur Abschätzung der Magnetfeldstärke unter Berücksichtigung von Schirmungsmaßnahmen, stehen spezielle Softwarelösungen zur Simulation zur Verfügung. Bei einer reinen Gitterstruktur des Potentialausgleichsnetzwerks von 5 m x 5 m ist davon auszugehen, dass sich die elektromagnetische Störgröße des Blitzes innerhalb des Bauwerks um einen Faktor 2 (6 dB) reduziert. Durchbrüche, wie sie für Kabeldurchführungen benötigt werden, sollten auf ein Minimum reduziert werden. Alle Leitungen, die von außen in einen geschirmten Raum verlegt werden, können Überspannungen in die geschützte Umgebung führen und das geplante Schutzziel eliminieren. Es ist daher wichtig, diese an den entsprechenden Zonenübergängen nach Blitzschutzzonenkonzept mittels Überspannungsableitern in das Potentialausgleichsnetzwerk einzubeziehen. Darüber hinaus minimiert eine optimierte Leitungsführung Induktionsschleifen und verringert somit das Entstehen von Überspannungen. Eine weitere Möglichkeit zu verhindern, dass Überspannungen über Kabel in den geschützten Bereich gelangen, ist Leitungen nach EN 62305-4 zu schirmen und auch diesen in das vorhandene Potentialausgleichsnetzwerk einzubeziehen.
Potentialausgleichsnetzwerk
Die Hauptaufgabe des Potentialausgleichsnetzwerks ist es, im Innern des Gebäudes gefährliche Potentialdifferenzen zwischen allen Geräten bzw. Anlagen zu vermeiden und das magnetische Feld des Blitzes zu reduzieren. Das erforderliche niederimpendante Potentialausgleichsnetzwerk wird durch vielfache Verbindungen aller metallenen Komponenten innerhalb der baulichen Anlage erreicht (Bild 9.50.10). Somit entsteht ein dreidimensional vermaschtes Potentialausgleichsnetzwerk. Typische Komponenten dieses Netzwerkes sind:
alle metallenen Installationen (z. B. Rohrleitungen)
Armierung im Beton (in Böden, Decken und Wänden)
Gitterroste (bei Zwischenböden)
Kabelkanäle
Lüftungskanäle
Aufzugsschienen
Versorgungsleitungen (Gas, Wasser, usw.)
Fenster und Türen.
Gehäuse und Racks elektronischer Geräte und System sollen mit kurzen Verbindungen (möglichst nicht in Runddraht, gemäß DIN VDE 0100-444) in das Potentialausgleichsnetzwerk integriert werden. Dazu sind im Rechenzentrum bei der Planung an den markanten Stellen entsprechende Anschlusselemente wie z.B. Erdungsfestpunkte und Potentialausgleichschienen vorzusehen.
Blitzschutzzonen-Konzept
Um die hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit von empfindlichen elektronischen Systemen in Rechenzentren zu erfüllen, kommt hier das Blitzschutzzonen-Konzept nach EN 623015-4 zum Einsatz. Nach diesem Prinzip ist die zu schützende baulichen Anlage in innere Blitzschutzzonen (LPZ – Lightning Protection Zone) unterschiedlicher LEMP-Bedrohungswerte zu unterteilen (Tabelle 9.50.2). Nach diesem flexiblen Konzept sind abhängig von der Empfindlichkeit der elektronischen Geräte/ Systeme geeignete LPZ festzulegen. Abhängig von der Bedrohung sind innere und äußere Blitzschutzzonen entsprechend EN 62305-4 definierbar.
Nr.
Schutz für…
Schutzgerät
Art.-Nr.
Niederspannungsschaltanlage
DEHNvenCI DVCI 255 FM Alternativ: DEHNventil DV M2 TNS 255 FM
Tabelle 9.50.2
Beispielhafte Darstellung Blitzschutzzonen bei Rechenzentren und dort eingesetzte Blitzstrom-und Überspannungs-Ableiter
Äußere Zonen:
LPZ 0: Zone, die durch das ungedämpfte elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist und in der die inneren Systeme dem vollen oder anteiligen Blitzstrom ausgesetzt sein können. LPZ 0 wird unterteilt in:
LPZ 0A: Zone, die durch direkte Blitzeinschläge und das volle elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist. Die inneren Systeme können dem vollen Blitzstrom ausgesetzt sein.
LPZ 0B: Zone, die gegen direkte Blitzeinschläge geschützt, aber durch das volle elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist. Die inneren Systeme können anteiligen Blitzströmen ausgesetzt sein.
Innere Zonen (geschützt gegen direkte Blitzeinschläge):
LPZ 1: Zone, in der Stoßströme durch Stromaufteilung und durch isolierende Schnittstellen und/ oder durch SPDs an den Zonengrenzen begrenzt werden. Das elektromagnetische Feld des Blitzes kann durch räumliche Schirmung gedämpft sein.
LPZ 2…n: Zone, in der Stoßströme durch Stromaufteilung und durch isolierende Schnittstellen und/ oder durch zusätzliche SPDs an den Zonengrenzen weiter begrenzt werden können. Das elektromagnetische Feld des Blitzes kann zudem durch eine zusätzliche räumliche Schirmung weiter gedämpft sein.
Die Anforderungen der inneren Zonen im Rechenzentrum müssen entsprechend der Spannungsfestigkeit der zu schützenden elektronischen Systeme definiert werden. An der Grenze jeder inneren Zone muss der Potentialausgleich für alle eintretenden metallenen Teile und Versorgungsleitungen durchgeführt werden (bei mehreren Zonen). Dieser erfolgt entweder direkt oder durch für die jeweilige Blitzschutzzone geeignete Überspannungs-Ableiter. Die Zonengrenze wird durch Schirmungsmaßnahmen gebildet. Die korrekte Umsetzung des Blitzschutzzonen-Konzeptes ist bei Rechenzentren einer der wichtigsten Aspekte für den sicheren und störungsfreien Betrieb.
Die Anzahl der inneren Blitzschutzzonen ist in Abhängigkeit des EMV-Schutzkonzeptes festzulegen. Je nach Art und Aufbau kann dies über eine Blitzschutzzone, aber auch durch mehrere Zonen erfolgen. Die zu erreichenden Schutzparameter bilden hierbei die Grundlage.
An den jeweiligen Schnittstellen der EMV-Blitzschutzzonen ist der Potentialausgleich für alle metallenen Systeme bzw. Strukturen durchzuführen. Dies gilt auch für alle energie- und informationstechnischen Leitungen. Diese sind am Zonenübergang 0A/0B – 1 also in der Niederspannungshauptverteilung mit blitzstromtragfähigen SPDs sogenannten Typ 1 Ableitern zu beschalten. An diese Ableiter werden die höchsten Anforderungen hinsichtlich Ihres Ableitvermögens gestellt. Sie müssen in der Lage sein, Blitzströme der Wellenform 10/350 μs mehrmals zerstörungsfrei ableiten zu können. Sie sind so nah wie möglich am Gebäudeeintritt einzusetzen und verhindern somit ein Eindringen von zerstörenden Blitzteilströmen in die elektrische Anlage. Bei Rechenzentren gilt in der Regel die Blitzschutzklasse I. Für energietechnische Leitungen sind Ableitvermögen entsprechend Tabelle 9.50.3 und für informationstechnische Leitungen entsprechend Tabelle 9.50.4 zu berücksichtigen.
Stoßstromvermögen Iimp in kA pro Pol für dreiphasige Spannungsversorgungssysteme
Ableiterverschaltung
4+0
3+1
L-PE
25 kA
–
L-N
–
25 kA
N-PE
25 kA
100 kA
Blitzschutzklasse I
Tabelle 9.50.3
Ableitvermögen für energietechnische Leitungen (Quelle: VDS2833)
Stoßstromtragfähigkeit Iimp in kA pro Pol für informationstechnische Systeme
Anzahl der Adern
< 3 DA
2,5 kA
≥ 3 DA
1 kA
≥ 10 DA
500 A
Blitzschutzklasse I
Tabelle 9.50.4
Ableitvermögen für informationstechnische Leitungen
Am Übergang der Blitzschutzzone 0B auf 1 und höher oder von Blitzschutzzone 1 auf 2 und höher werden SPD des Typ 2 zum Schutz von Überspannungen eingesetzt. Ihr Ableitvermögen liegt im Bereich von einigen 10 kA (8/20 μs). Letztes Glied im Blitz- und Überspannungsschutz-System in Anlagen der Energietechnik stellt der Endgeräteschutz (Übergang Blitzschutzzone LPZ 2 auf LPZ 3 und höher) dar. Hauptaufgabe des an dieser Stelle installierten Schutzgerätes vom Typ 3 ist der Schutz gegen Überspannungen, die zwischen den Leitern eines elektrischen Systems auftreten. Hierbei handelt es sich insbesondere um Schaltüberspannungen. Wichtig ist, dass die eingesetzten SPDs nach EN 62305-4 untereinander koordiniert sind (Bild 9.50.11) und an der richtigen Stellen nach dem Blitzschutzzonen-Konzept installiert werden (siehe auch http://vde.com/spd-koordination).
Niederspannungshauptverteilung
In der Niederspannungsschaltanlage laufen die wichtigsten Versorgungsleitungen des Rechenzentrums zusammen. Gespeist von Mittelspannungstransformatoren, Backup Generatoren und der USV-Anlage sind hier enorme Leistungen vorhanden. Für den sicheren Betrieb ist hier der Blitzschutzpotentialausgleich durchzuführen. Zudem sind leitungsgebundene Störungen infolge indirekter Blitzeinschläge aus den nachgeordneten Unterverteilungen zu berücksichtigen. In diesen Fällen sind Blitzstrom-Ableiter zu wählen, die in der Lage sind, erhebliche Blitzströme (nach Blitzschutzklasse I: 100 kA (10/350 μs)) zerstörungsfrei abzuleiten, aber auch die vorhandenen Kurzschlussströme sicher zu beherrschen. Des Weiteren sollte der geforderte Schutzpegel UP kleiner gleich der maximalen Bemessungs-Stoßspannung der empfindlichsten Betriebsmittel in der Niederspannungsschaltanlage sein. Hierbei eignet sich am besten der Einsatz eines Kombi-Ableiters auf Funkenstreckenbasis wie der DEHNvenCI mit integrierter Vorsicherung (Bild 9.50.12).
Neben der signifikanten Platz- und Montageersparnis lassen sich hier auch einfach die nach IEC 60364-5-53 geforderten Anschlusslängen von maximal 0,5 m einhalten. Die eingesetzte Funkenstreckentechnologie ermöglicht eine energetisch koordinierte Schutzwirkung Typ 1 + Typ 2 + Typ 3 und sichert somit auch sensibelste Endgeräte wie BUS-Steuerungen, Sensoren oder elektronische Messgeräte. Sollten über Kuppelschalter mehrere Transformatoren separat zuschaltbar sein, müssen diese mit den gleichen Überspannungs-Ableitern beschalten werden.
Bei großen Niederspannungsschaltanlagen sollten zusätzliche Typ 2 Überspannungs-Ableiter auch an den Abgängen in die angeschlossenen Unterverteilungen eingesetzt werden. Damit werden induzierte Störgrößen aus den abgehenden Leitungen sicher begrenzt. Daneben sind auch die Signal- und Datenleitungen mit entsprechenden SPDs zu beschalten.
Unterverteilung
Eine Vielzahl von verschiedenen Systemen benötigen im weiteren Verlauf des Rechenzentrums eine Spannungsversorgung. Ob Gefahrenmeldeanlagen, Server, Sprinkler, Klimaanlagen usw., in keiner Gebäudeart wird man wohl mehr komplexe Systeme finden. Aufgrund der in diesem Bereich üblichen Leitungslängen von mehr als 10 m kann es zu Induktions- oder Ausbreitungseffekten kommen (Bild 9.50.13). Induzierte Überspannungen in Leiterschleifen werden maßgeblich durch die Steilheit des Blitzstromanstieges ∆i/∆t, bestimmt. Diese Spannungen werden in alle offenen oder geschlossenen Leiterschleifen induziert, die sich in der Umgebung von blitzstromdurchflossenen Leitern befinden. Ein Berechnungsbeispiel dazu ist in Bild 9.50.14 dargestellt.
Um diese Effekte zu eliminieren oder weitestgehend zu begrenzen, sollten im weiteren Verlauf in den zugeordneten Unterverteilungen weitere Überspannungs-Ableiter vom Typ 2 eingesetzt werden. Gerade im Bereich von Rechenzentren können die Überspannungs-Ableiter DEHNguard mit ACI-Technologie (Advanced Circuit Interruption) ihre Vorteile voll ausspielen: Die integrierte Schalter-Funkenstrecken-Kombination macht eine bisher notwendige Gerätevorsicherung überflüssig. Die ansonsten notwendige, vorgeschaltete Überstromschutzeinrichtung kann entfallen, was eine einfachere Auslegung, schnelle Installation und den sicheren Betrieb des Überspannungs-Schutzgerätes ermöglicht.
Serverräume
Die Serverräume oder – im Falle eines größeren Rechenzentrums – eine Serverhalle umfasst in der Regel viele Reihen von Serverschränken. Die Stromversorgung der Racks erfolgt über Bodentanks und hier entweder über Kabel, die unter dem „Doppelboden“ verlegt sind, oder über eine spezielle Stromschiene (Bild 9.50.15).
Der Serverraum in einem Rechenzentrum kann je nach Schirmungskonzept mit einem zusätzlichen Maschennetz, also der Raumschirmung, geschützt werden. Dies macht ihn zu einem der wichtigsten Orte innerhalb des Gebäudes. Der gesamte Raum gilt deshalb als Blitzschutzzone 2. Zusätzlich kann das Metallgehäuse eines Servers als zusätzliche Blitzschutz-/Schirmungszone (z. B. LPZ 3) festgelegt werden.
Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der vollständige Schrank inklusive Türen sowie zugehörige Dichtungen ein nachweislich nachvollziehbares Dämpfungsverhalten aufweist und separat mit mindestens 6 mm2 Cu Erdleitung in den Potentialausgleich integriert wird.
Der Überspannungsschutz auf der Ebene des Serverraums unterscheidet sich in Abhängigkeit der Größe des Serverraums. Im Falle eines nicht abgeschirmten Serverraums ist ein Überspannungsschutz des Typs 2 in der Bodentanks ausreichend. In größeren Serverräumen sollte jedoch ein zusätzlicher Überspannungsschutz des Typs 3 installiert werden – entweder in den Abgängen auf der Sammelschiene oder in der Rack-Spannungsversorgung selbst.
TGA Technik
Mit dem Begriff der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) werden die Bereiche Heizung, Klima, Lüftung, Brandschutz, Sanitär und Elektrotechnik verbunden. Um deren Funktionsabläufe optimal zu steuern, sind vernetzte Überwachungs-, Steuerungs- und Regelungskomponenten erforderlich, deren Daten an vielen Stellen im Gebäude verarbeitet werden. Fallen zentrale Organe aufgrund von Blitz- und Überspannungsschäden aus, so ist auch hier das Rechenzentrum gefährdet.
Die wichtigsten Systeme, die innerhalb des Gebäudes geschützt werden müssen, sind das Kühlsystem und die Server selbst. Es gibt verschiedene Strategien, wie die konstante Stromversorgung dieser wichtigen Verbraucher sichergestellt werden kann, und meistens wird die Stromversorgung durch ein zusätzliches USV-System gesichert. Aufgrund der unterschiedlichen Standorte und der großen Entfernungen sollten jedoch, wie bereits erwähnt, alle Unterverteilungen, die diese Lasten verteilen, vor Überspannungen geschützt werden. Aber auch die vorhandenen informationstechnischen Schnittstellen sind hier vor einem Ausfall zu sichern.
Durch den hohen Vernetzungsgrad aller Aktoren, Sensoren, Verbraucher und Bedienelemente werden Signale an den unterschiedlichsten Stellen des Gebäudes verarbeitet, sei es in der Gebäudeleittechnik (GLT), in Informationsschwerpunkten (ISP) oder in der Brandmeldezentrale zur Aufschaltung an die Feuerwehr (Feuerwehr-Peripherie). Bei einem Ausfall durch Überspannungen kommt es zu Störungen dieser für das Rechenzentrum lebensnotwendigen Komponenten. Das heißt, die Anlagenkomponenten der RLT-Anlage werden nicht mehr angesteuert und Ventilatoren, Lüftungsklappen oder elektromotorisch betriebene Fenster fallen in einen undefinierten Zustand.
Schutzgeräte der BLITZDUCTORconnect Familie, erfüllen alle diese Anforderungen. Durch ihr hohes Blitzstromableitvermögen verbunden mit einem niedrigen Schutzpegel sind die nachfolgenden Systeme sicher geschützt (Bild 9.50.16).
Im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung werden Daten häufig mittels Ethernet-Netzwerken übertragen. Da sich die Systeme innerhalb und außerhalb des Gebäudes befinden, werden hierfür Indoor- aber auch Outdoor-Varianten für den sicheren Schutz von Industrial Ethernet, PoE und ähnliche Anwendungen in strukturierten Verkabelungen benötigt.
Eine weitere Schlüsselrolle in der technischen Sicherheit von Gebäuden ist die Videoüberwachung. Neben den bewährten CCTV-Systemen bieten moderne Geräte wie IP-Kameras eine bessere Qualität und Energieeffizienz. Die Hochverfügbarkeit dieser Videoüberwachungsanlagen muss daher jederzeit sichergestellt sein. Des weiterem geht es im Innern des Rechenzentrums auch um die schnelle und sichere Übertragung von Daten und Informationen. Mit verschiedenen Anschlussmöglichkeiten und einem Einsatz bis 250 MHz gibt es für die verschiedensten Anwendungsfälle die passende Variante aus der DEHNpatch Familie (Bild 9.50.17).
Fazit
Die zunehmende Durchdringung aller Arbeits- und Lebensbereiche mit digitaler Technik bedingt auch die große Abhängigkeit von sicherer und verfügbarer Kommunikations- und Informationstechnik. Das Internet der Dinge, autonomes Fahren, zunehmendes mobiles Arbeiten oder auch Cloud Computing sind ohne hochverfügbare Rechenzentren nicht möglich. Ein leistungsstarker und umfassender Blitz- und Überspannungsschutz bildet daher einen essenziellen Baustein in einem ganzheitlichen Schutzkonzept. Dieser muss frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden, da hier die Implementierung nicht nur deutlich einfacher, sondern auch mit viel geringerem Aufwand verbunden ist als in späteren Bau- und Betriebsphasen. Schutzmaßnahmen gegen Blitz- und Überspannungseinwirkung basieren dabei u.a. auf den Ergebnissen einer Risikoanalyse, Normenvorgaben wie z. B. der EN 50600, Teil 2-2 oder der Blitzschutznorm EN 62305 sowie der Berücksichtigung von Blitzschutzzonen und einer individuellen Abstimmung des Schutzbedarfs zwischen Planer und Auftraggeber.
Sensible wichtige Systeme erfordern erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Aus diesem Grund sind insbesondere bei Rechenzentren die erweiterten Anforderungen aus der EN 62305-4 zu berücksichtigen – mit zusätzlichen Vorgaben zu Erdungsmaßnahmen, Schirmung oder dem Schutz vor induzierte Spannungsimpulsen (z.B. LEMP).
Ein ganzheitliches Blitz- und Überspannungsschutzsystem professionell planen und umsetzen, ist eine komplexe Aufgabe. Als Experte für Blitz- und Überspannungsschutz hilft DEHN kompetent weiter und bietet neben Schutzlösungen auch umfangreiche Beratungs- und Servicedienstleistungen.
DEHN – Sicherheit aus einer Hand von dem Experten im Blitz- und Überspannungsschutz.