Erdungsanlagen und Erdungssysteme sind eine wichtige Basis für eine funktionierende Stromversorgung. Die Bildung von Hochspannungsschutz- und Niederspannungsbetriebserde, die Gewährleistung der Schutzmaßnahmen und die Spannungsbegrenzung auf zulässige Höchstwerte auch im Fehlerfall, die Grundlage aller Potentialausgleichs- und Blitzschutzmaßnahmen sowie die Sicherstellung des Personen- und Sachschutzes zählen zu den zentralen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erdungsanlage.

Ungeachtet dessen, gerieten die Erfahrung und die Diskussion über Erdungsanlagen ein wenig in den Hintergrund. Funktionierende Erdungen werden oftmals, ohne zu hinterfragen, als gegeben vorausgesetzt. Deshalb werden die wichtigsten physikalischen und normativen Hintergründe beleuchtet und technische Lösungsansätze aufgezeigt.

Normative Grundlagen

Üblicherweise greifen in einer Transformatorenstation die technischen Belange der Hoch- und Niederspannungstechnik ineinander. Normative Hintergründe finden sich daher in:

  • DIN EN 61936-1 (VDE 0101-1), Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen über 1 kV,
  • DIN EN 50522 (VDE 0101-2), Erdung von Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen über 1 kV,
  • DIN EN 62271-202 (VDE 0671-202), Fabrikfertige Stationen für Hochspannung / Niederspannung,
  • DIN VDE 0100 Teil 410 (Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag),
  • DIN VDE 0100 Teil 540 (Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 5-54: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Erdungsanlagen, Schutzleiter und Schutzpotentialausgleichsleiter),
  • DIN VDE 0185-305-3 (Blitzschutz – Schutz von baulichen Anlagen und Personen),
  • DIN 18014 (Fundamenterder – Allgemeine Planungsgrundlagen)
  • und DIN VDE 0151 (Werkstoffe und Mindestmaße von Erdern bezüglich der Korrosion).

Wichtige Begriffe

Nicht isolierte, mit Erde in Kontakt stehende Leiter sind als Erder definiert. Ein örtlich begrenztes System von leitend miteinander verbundenen Erdern wird zur Erdungsanlage. Diese ist über den Erdungsleiter, die Haupterdungsschiene mit dem zu erdenden Anlagenteil verbunden. Abhängig vom spezifischen Erdwiderstand ρ ergibt sich gegenüber ferner Erde der Erdausbreitungswiderstand RE. Als Schutzerdung wird die Erdung eines nicht spannungsführenden Teiles bezeichnet. Die Erdung eines Punktes des Betriebsstromkreises (z. B. Transformatorsternpunkt) ist die Betriebserdung. Fließt im Fehlerfall ein Strom in die Erdungsanlage, so ergibt sich die Erdungsspannung:

UEErdungsspannung,
IEErdungsstrom,
ZE Erdungsimpedanz.

Zwischen Erdungsanlage und ferner Erde stellt sich abstandsabhängig das Erdoberflächenpotential ϕ ein. Eine sich der Fehlerstelle annähernde Person greift dabei die Schrittspannung und beim Berühren des fehlerbehafteten Anlagenteiles die Berührspannung UT ab. Zur Verringerung der möglichen Schrittspannung werden im Bedarfsfall Maßnahmen zur Potentialsteuerung angewandt. Innerhalb der elektrischen Anlage werden alle leitfähigen Teile in den Potentialausgleich einbezogen.

Abschließend ist noch der Begriff der Potentialverschleppung zu definieren. Durch einen, mit der Erdungsanlage verbundenen Leiter (z. B. Kabelschirm, PEN-Leiter) in Gebiete mit anderer oder keiner Potentialanhebung, kann es zur Verschleppung von Potentialen kommen.

Wichtig ist die Begriffsdefinition des globalen Erdungssystems. Als solches wird ein Gebiet geschlossener Bebauung angenommen, in dem die Gesamtheit aller dort vorhandenen Erdungsanlagen wie ein gemeinsamer großflächiger Maschenerder wirkt. In der Regel kann ein globales Erdungssystem (Industrieanlagen, Wohngebiete) als gegeben angenommen werden, wenn mehr als zehn vermaschte Erdungsanlagen vorhanden sind.

Hier entsteht im Fehlerfall eine weiträumige Quasi-Äquipotentialfläche, innerhalb dieser es per Definition keine gefährlichen Berührspannungen mehr gibt (Bild 5.9.1). Als maximal zulässige länger anstehende Berührspannung ist im Fehlerfall in Hochspannungsnetzen UTP = 80 V festgelegt (Abschaltzeit > 10 s). Im Niederspannungsnetz gilt als höchste noch zulässige Berührspannung 50 V AC. Diese Werte sind in allen Fällen zu garantieren.

Bild 5.9.1 Begriffsdefinitionen entsprechend DIN EN 50522 (VDE 0101-2), Bild 1

Netzformen und zugehörige Erdungsströme

Mittelspannungsnetze können als Netzgebilde mit isoliertem, niederohmig, starr geerdetem oder mit induktiv geerdetem Sternpunkt (gelöschtes Netz) betrieben werden. Letztere Variante bietet die Möglichkeit, im Falle eines Erdschlusses den an der Fehlerstelle fließenden kapazitiven Strom mittels einer Kompensationsspule (Löschspule mit Induktivität L = 1/3 ω CE) auf den Erdschluss-Reststrom IRES zu begrenzen, und ist daher weit verbreitet. Nur noch dieser Reststrom (typisch bis max. 10 % des unkompensierten Erdschlussstromes) belastet im Fehlerfall die Erdungsanlage.

Eine zusätzliche Reduktion ergibt sich durch die Verbindung der lokalen Erdungsanlage mit weiteren Erdungen (beispielsweise durch die verbindende Wirkung der Kabelschirmung der Mittelspannungskabel). Hier wird ein Reduktionsfaktor r definiert. Weist etwa ein Netzgebilde prospektiv (unbeeinflusst) einen kapazitiven Erdschlussstrom von 150 A auf, so wird im kompensierten Fall maximal ein Erdschluss-Reststrom von ca. 15 A angenommen, durch den die Erdungsanlage „vor Ort“ beansprucht werden würde. Bei der Verbindung mit weiteren Erdungsanlagen würde dieser Strom noch weiter reduziert werden. Die Erdungsspannung beträgt dabei dann:

IEErdungsstrom
ICkapazitiver Erdschlussstrom
ILBemessungsstrom der Erdschluss-Löschspule
IRES Erdschluss-Reststrom
I’’kEEDoppelerdschlussstrom
I’k1 einpoliger Erdkurzschluss
INNennstrom
rReduktionsfaktor (z. B. für Kabelschirme).

Dimensionierung von Erdungsanlagen hinsichtlich der Erderspannung

Bei der Dimensionierung der Erdungsmaßnahmen für eine Mittelspannungsanlage ist zunächst die mögliche Erdungsspannung UE zu bestimmen. Ist UE < 2 × UTP , so ist die Ausführung richtig bemessen. Ist UE < 4 × UTP , so sind Ersatzmaßnahmen (z. B. Potentialsteuerung) zu realisieren. In Sonderfällen sind darüber hinaus noch weitere Maßnahmen zu treffen, das genaue Verfahren beschreibt die DIN EN 50522 in Bild 5. Per Definition gibt es keine unzulässig hohe Spannungsanhebung, wenn die betreffende Anlage Teil eines globalen Erdungssystems ist.

Im Niederspannungsverteilnetz sind die Netzformen TN und TT am gebräuchlichsten. Andere Netzformen werden deshalb an dieser Stelle nicht betrachtet. Im Fehlerfall kann dabei eine Spannung zur Kundenanlage verschleppt werden. Besondere Beachtung findet dies in TN-Netzen. Die Spannungserhöhung am PEN-Leiter darf 50 V hierbei nicht überschreiten. Bei TT-Netzen gelten 250 V als Höchstgrenze der Spannungsbeanspruchung. DIN VDE 0100-410 verweist dazu auf die sogenannte Spannungswaage. Wird das Verhältnis

RBder Gesamtwiderstand aller Betriebserder,
REder Erdübergangswiderstand an einer möglichen Fehlerstelle,
U0 die Nennspannung gegen Erde 230 V und
UBdie vereinbarte maximale Berührspannung 50 V ist,

eingehalten, so ist dies sichergestellt.

Es muss also gelten: RB/RE ≤ 0,27. Bei Annahme des zufälligen Übergangswiderstandes an der Fehlerstelle von 10 Ω (typischer Erfahrungswert) ergibt sich die Forderung nach RB ≤ 2,7 Ω. In der Praxis wird daher im Netzbetrieb oft die Grenze RB max. = 2 Ω zitiert. Dieser Gesamtausbreitungswiderstand der Stationserde ist vor der Inbetriebnahme zu protokollieren und danach wiederkehrend zu überprüfen.

Dimensionierung von Erdungsanlagen hinsichtlich der Strombelastbarkeit

Zur Dimensionierung der Strombelastbarkeit von Erdungsleitern und Erdern müssen verschiedene Worst-Case-Szenarien überprüft werden. Innerhalb der Mittelspannungsanlage wäre ein Doppel-Erdkurzschluss der kritischste Fall. Durch einen ersten Erdschluss (beispielsweise am Transformator) könnte möglicherweise ein zweiter Erdschluss in einer anderen Phase (z. B. innerhalb der MS-Anlage, defekter Kabelendverschluss) eingeleitet werden. Gemäß Tabelle 5.9.1 fließt in diesem Fall über die Erdungsleiter der sogenannte Doppelerdschlussstrom I’’kEE , welcher nach Tabelle 1 der DIN EN 50522 (VDE 0101-2) wie folgt dimensioniert wird:

I’’k = dreipoliger Anfangskurzschlusswechselstrom.

 

Art des
Hochspannungsnetzes

Maßgebend für die thermische Belastung

Maßgebend für Erdungs- und Berührungsspannungen

Erder

Erdungsleiter

Netze mit isoliertem Sternpunkt

 

Netze mit Erdschlusskompensation einschließlich Kurzzeit-Erdung zur Fehlerortung 

Anlagen ohne Erdschlussspule

Anlagen mit Erdschlussspule

a)

Netze mit Niederohmiger Sternpunkterdung einschließlich Kurzzeit-Erdung zur Abschaltung

Anlagen ohne Sternpunkterdung

Anlagen ohne Sternpunkterdung

b)

a) Erdungsleiter an Erdschlussspulen sind nach dem größten Strom der Spulen auszulegen.
b) Es ist zu prüfen, ob außenliegende Fehler maßgeblich sind.

Tabelle 5.9.1 Maßgebende Ströme für die Messung von Erdungsanlagen entsprechend Tabelle 1 der DIN EN 50522 (VDE 0101-2)

In einer 20-kV-Anlage mit einem Anfangskurzschlusswechselstrom I’‘k von 16 kA, bei einer Abschaltzeit von 1 Sekunde, würde dies einem Strom von 13,6 kA entsprechen. Entsprechend diesem Wert ist die Strombelastbarkeit der Erdungsleiter und der Erdsammelleiter innerhalb des Stationsgebäudes zu bemessen. Dabei kann bei einer Ausführung im Ring die Aufteilung des Stromes berücksichtigt werden (in der Praxis wird der Faktor 0,65 verwendet). Nach Tabelle 5.9.1 ist der Erder gleich dem Erdungsleiter zu dimensionieren (bis auf Anlagen mit Erdschlussspule (Umspannwerke)). In der Erdungsanlage teilt sich der Fehlerstrom häufig auf. Es ist deshalb zulässig, jeden Erder und Erdungsleiter nur für einen Teil des Fehlerstroms zu bemessen. Bei der Planung sind immer die tatsächlichen Netzdaten zugrunde zu legen. 

Tabelle 5.9.2 zeigt die Strombelastbarkeit verschiedener Querschnitte und Werkstoffe. Der Querschnitt eines Leiters ergibt sich aus dem Werkstoff und der Abschaltzeit. Für verschiedene Werkstoffe wird in der DIN EN 50522 (VDE 0101-2) (Bild 5.9.1) die maximale Kurzschlussstromdichte G (A/mm2) spezifiziert. Die Erdungsanlage selbst (also der erdfühlig verlegte Teil) wird, z. B. beim kompensierten Netz, mit einem deutlich geringeren Strom beansprucht. Das ist im kompensierten Netz nur der um den Faktor r reduzierte Erdschluss-Reststrom IE = r × IRES (Tabelle 5.9.1). Dieser Strom liegt maximal im Bereich von einigen 10 Ampere und kann mittels der üblichen Querschnitte für Erdermaterial problemlos und dauerhaft geführt werden.

Zeit

[s]

St/tZn

[A/mm2]

Kupfer

[A/mm2]

NIRO (V4A)

[A/mm2]

0,3

129

355

70

0,5

100

275

55

1

70

195

37

3

41

112

21

5

31

87

17

Tabelle 5.9.2 Kurzschluss-Stromdichte G (Temperatur max. 200 °C)

Innerhalb der Niederspannungsanlage wäre ein einpoliger Fehler gegen Erde zwischen Transformator und Niederspannungshauptschalter ein möglicher kritischer Fehlerfall. So fließt im Falle eines Erdschlusses einer Transformator-Unterspannungswicklung (z. B. über den geerdeten Transformatorkessel) ein einpoliger Kurzschlussstrom I’’k1 zur Haupterdungsschiene. Von dort schließt sich der Fehlerstromkreis über den angeschlossenen Schutzleiter der Niederspannungsverteilung und über den PEN-Leiter zurück zum Transformator-Sternpunkt. Eine Abschaltung würde in diesem Fall auf der Oberspannungsseite durch den Transformator-Leistungsschalter oder die zugeordnete Lastschalter-Sicherungskombination erfolgen. Bemessen wird der Erdungsleiter / Schutzleiter innerhalb des Anlagenraumes hier gemäß der DIN VDE 0100-540, Absatz 543.1.2. Der Querschnitt ist mit der Beziehung

zu berechnen, wobei der Materialfaktor k (isoliert, Thermoplast) gemäß Tabelle A 54.2 der Norm im Falle einer Cu-Leitung gleich 143 gesetzt wird, I der Kurzschlussstrom und t die Stromflussdauer ist (Bild 5.9.2).

Bild 5.9.2 Einpoliger Fehler in einer Transformatorenstation mit integrierter Niederspannungs-Hauptverteilung

Der tatsächlich fließende Fehlerstrom ist nur sehr aufwendig zu berechnen, da dieser abhängig ist von der Trafonennleistung S, der treibenden Spannung, der Kurzschlussspannung uk und der jeweiligen Schleifenimpedanz (welche nur messtechnisch ermittelbar ist). Eine schnelle Abschätzung ist nur eingeschränkt durch Betrachtung des Anfangskurzschlusswechselstromes I’’k möglich (~3-poliger Kurzschluss als definierter Zustand). Dieser kann aus Trafonennleistung, Nenn- und Kurzschlussspannung gemäß dem Zusammenhang

errechnet werden.

Bei einem 630-kVA Transformator mit uk = 4 % und UN = 400 V wären dies z. B. 22,7 kA. Oberspannungsseitig, im Beispiel 20 kV, wäre der Transformator mittels HH-Sicherungen mit Nennstrom 31,5 … 50 A zu schützen. Gemäß dem Übersetzungsverhältnis n von 50 würde der Kurzschlussstrom sich mit rd. 450 A auf die Oberspannungsseite übertragen und entsprechend der Sicherungskennlinie die HH-Sicherungen bei Nennstrom 31,5 A in ca. 25 ms (allpolig) auslösen. Gemäß genannter Gleichung S = I/k × √t wäre für die Schutzleiter / Schutzpotentialausgleichsleiter in der Station hier der Mindestquerschnitt Smin = 25 mm2 Cu. In der Praxis wird auf 50 mm2 aufgerundet.

Ausdrücklich zu beachten ist, dass sich bei größeren Transformatoren und damit höheren Strömen, verbunden mit den jeweiligen Abschaltzeiten, sinngemäß deutlich größere Querschnitte für Schutz- und Erdungsleiter ergeben können. Die Erdungsanlage selbst (also der erdfühlige Teil) wird bei dieser Fehlerart nicht belastet. Ein Strom durch die Erdungsanlage fließt in der Niederspannung nur bei einem Erdfehler außerhalb der Station. An der Fehlerstelle wird sich der Strom IE = U / (R+ RB) einstellen, der über die Stations-Erdungsanlage in den Transformatorsternpunkt zurückfließt. Bei einer Leiter-Erdspannung von 230 V und einem Widerstand RE von einigen Ohm sowie einem Stationserdungswiderstand RB von ca. 2 Ω, ist dies von der Strombelastbarkeit unkritisch. Der Strom wird einige 10 A nicht überschreiten können, sodass bei Einhaltung des maximalen Erdausbreitungswiderstandes eine Überbeanspruchung in keinerlei Hinsicht zu erwarten ist.

Praktische Ausführung von Erdungsanlagen an Transformatorenstationen

Die Erdungsanlage einer Transformatorenstation (Bild 5.9.3) ist unter Berücksichtigung der örtlichen Netzdaten des Verteilnetzbetreibers (VNB) entsprechend der DIN EN 61936-1 (VDE 0101-1) und DIN EN 50522 (VDE 0101-2) auszulegen.

Bild 5.9.3 Schematische Darstellung der Erdungsanlage an einer Netztransformatorenstation (Quelle: Niemand/Kunz; „Erdungsanlagen“; S. 109; VDE-Verlag)

Eine Erdungsanlage wird im Allgemeinen aus mehreren waagrecht, senkrecht oder schräg in die Erde eingegrabenen oder eingetriebenen Erdern zusammengestellt. Die Verwendung von Chemikalien, um den Erdwiderstand zu verbessern, ist in Deutschland nicht üblich und wird auch nicht empfohlen. Oberflächenerder sollten üblicherweise 0,5 m bis 1 m tief im Erdreich verlegt werden. Dies bietet einen ausreichenden mechanischen Schutz und auch Schutz vor Frost.

Bei Tiefenerdern liegt der Anschluss üblicherweise unter der Erdoberfläche (Bild 5.9.4). Senkrecht oder schräg eingetriebene Stäbe von Tiefenerdern sind besonders von Vorteil, denn mit der Tiefe sinkt üblicherweise der spezifische Erdwiderstand. Typische Werte für den spezifischen Erdwiderstand nach Bodenart sind in Kapitel 5.5Bild 5.5.4 aufgeführt.

Bild 5.9.4 Verbindung eines Tiefenerders mit dem Ringerder der Station
Bild 5.5.4 Spezifischer Erdwiderstand ρE bei verschiedenen Bodenarten

In der Regel wird um das Stationsgebäude herum im Abstand von rd. 1 m in einer Tiefe von ca. 0.5 m ein sogenannter Ringerder (Steuererder) eingebracht. Vielfach wird der Erdungswiderstand durch das Eintreiben eines Tiefenerders (Länge typischerweise rd. 6 m) verbessert. Zusätzlich wird häufig entlang der Kabeltrassen im Kabelgraben ein Banderder von einigen 10 m mitgeführt. In der Praxis ist immer eine gemeinsame Erdung für Hoch- sowie Niederspannung anzustreben. Dabei sind die in DIN EN 61936-1 (VDE 0101-1), Tabelle 2 genannten Anforderungen hinsichtlich Berührspannung und Spannungsanhebung im Niederspannungsnetz einzuhalten.

In besonderen Fällen, vor allem in Freileitungsnetzen oder bei Netzausläufern, können deshalb getrennte Erdungsanlagen erforderlich werden. In solchen Fällen ist eine individuelle Betrachtung notwendig. Diese beschriebene Außenerdung wird isoliert in die Station eingeführt, um nicht die Gebäudearmierung zu berühren und dadurch ein Messergebnis zu verfälschen. Die Außenerdung wird mittels Trennklemme an die Haupterdungsschiene angeschlossen. Bei geschlossener Trennklemme kann messtechnisch der Gesamtausbreitungswiderstand ermittelt werden. Bei geöffneter Trennstelle ist eine Messung der Erdungsverhältnisse der betreffenden Anlage möglich. Wie bereits geschildert, gilt ein Gesamterdungswiderstand der Stationserde RB von rd. 2 Ω als ausreichend. Auch die Verteilnetzbetreiber VNB verweisen in ihren örtlichen Anschlussbedingungen der TAB meist auf diesen Wert. Sehr häufig ist es deshalb hilfreich, vor dem Bau der Erdungsanlage den Gesamterdausbreitungswiderstand überschlägig zu bestimmen. In Kapitel 5.5Tabelle 5.5.1 sind „Faustformeln“ zur überschlägigen Ermittlung des Erdausbreitungswiderstandes verschiedener Erder im Erdreich zu finden. Bei der Auswahl der Erderwerkstoffe ist neben der Strombelastbarkeit (Bild 5.9.5) auch deren Korrosionsverhalten zu berücksichtigen, welches nachfolgend beschrieben wird.

Erder

Faustformel

Hilfsgröße

Oberflächenerder
(Strahlenerder)

Tiefenerder
(Staberder)

Ringerder

Maschenerder

Plattenerder

Halbkugelerder/
Fundamenterder

RA  Ausbreitungswiderstand (Ω)
ρE  Spezifischer Erdwiderstand (Ωm)
l  Länge des Erders (m)
d  Durchmesser eines Ringerders, der Ersatzkreisfläche oder eines Halbkugelerders
A  Fläche (m2) der umschlossenen Fläche eines Ring- oder Maschenerders
a  Kantenlänge (m) einer quadratischen Erderplatte. Bei Rechteckplatten ist für a einzusetzen: , wobei b und c die beiden Rechteckseiten sind
V  Inhalt eines Einzelfundamenterders

Tabelle 5.5.1 Formeln zur Berechnung des Ausbreitungswiderstandes RA für
verschiedene Erder
Bild 5.9.5 Strombelastbarkeit von Erderwerkstoffen

Auswahl der Erderwerkstoffe unter Berück­sichtigung des Korrosionsverhaltens

Durch die Wahl geeigneter Werkstoffe können Korrosionsgefährdungen für Erder verringert oder sogar vermieden werden. Zur Erzielung einer ausreichenden Lebensdauer müssen Werkstoff-Mindestabmessungen eingehalten werden. Genaue Werte können der DIN VDE 0151, Tabelle 3 entnommen werden.

Blankes Kupfer

Blankes Kupfer ist aufgrund seiner Stellung in der elektrolytischen Spannungsreihe sehr beständig. Hinzu kommt, dass es beim Zusammenschluss mit Erdern oder anderen Anlagen im Erdboden aus „unedleren“ Werkstoffen (z. B. Stahl) zusätzlich kathodisch geschützt wird, allerdings auf Kosten der „unedleren“ Metalle.

Feuerverzinkter Stahl

Bei der Verwendung von verzinktem Material als Erderwerkstoff im Erdreich ist das Korrosionsverhalten besonders zu berücksichtigen. In der Regel wird bei den Transformatorstationen bereits verzinkter Stahl im Beton (in der Fundamentplatte des Gebäudes) eingebracht. Diese im Beton befindliche Erderinstallation wird mit dem außen eingebrachten Ringerder verbunden. Durch diese direkte Verbindung entsteht ein „Konzentrationselement“. Der im Beton befindliche Stahl wirkt höherwertiger (wie Kupfer) und somit wird das unedlere Metall (Stahl verzinkt im Erdreich) angegriffen. Dies stellt ein Funktionsprinzip wie eine „Batterie im Erdreich“ dar. Ausschlaggebend für diese elektrochemische Korrosion ist das Flächenverhältnis der beiden Erdungsanlagen. Dies kann detailliert im Kapitel 5.5.7 nachgelesen werden.

Nichtrostende Stähle

Bei der Verwendung von hochlegierten nichtrostenden Stählen kann der vorher genannte Effekt so gut wie ausgeschlossen werden. Hochlegierte nichtrostende Stähle nach DIN EN 10088-3 sind im Erdboden passiv und korrosionsbeständig. Das freie Korrosionspotential von hochlegierten nichtrostenden Stählen in üblich belüfteten Böden liegt in den meisten Fällen in der Nähe des Wertes von Kupfer. Da Erderwerkstoffe aus nichtrostenden Stählen innerhalb weniger Wochen an der Oberfläche passivieren, verhalten sich diese zu anderen (edleren und unedleren) Werkstoffen neutral. Edelstähle sollten mindestens 16 % Chrom, 5 % Nickel und 2 % Molybdän enthalten. Aufgrund von umfangreichen Messungen hat sich ergeben, dass nur ein hochlegierter Edelstahl NIRO (V4A), z. B. mit der Werkstoff-Nr. 1.4571, im Erdboden ausreichend korrosionsbeständig ist.

Eine Vielzahl von Energieanlagen wird heute 50 Jahre und länger betrieben; oftmals also weit länger, als die Lebensdauer der ihr, aus konventionellen Materialien bestehenden, zugeordneten Erdungsanlagen beträgt. Für diese Betriebszeit ist auch die Erdungsanlage zu dimensionieren. Deshalb empfiehlt sich langfristig der Einsatz von nichtrostenden Stählen (NIRO V4A). Bild 5.9.6 zeigt deutlich den punktuellen Lochfraß an einem Tiefenerderstab nach einer Einbauzeit von nur sieben Jahren. Bild 5.9.7 macht im Vergleich deutlich, dass hochlegierter Edelstahl von der Korrosion im Erdreich nicht betroffen ist.

Bild 5.9.6 Korrosionsbeurteilung verzinkter Tiefenerder, Einbauzeit: 7 Jahre
Bild 5.9.7 Korrosionsbeurteilung Tiefenerder verzinkt (unten) und Tiefenerder Edelstahl (oben), Einbauzeit: 2,5 Jahre

Zuverlässige, richtig dimensionierte Erdungsanlagen sind für eine funktionierende Stromversorgung von fundamentaler Bedeutung hinsichtlich der Personen- und Betriebssicherheit. Deren einwandfreie Funktion wird jedoch oftmals, ohne zu hinterfragen, als gegeben vorausgesetzt. Bei Erdungsanlagen von Transformatorenstationen sind sowohl die technischen Belange der Hochspannungs- als auch die der Niederspannungstechnik vernetzt zu betrachten. Hinsichtlich des Gefährdungspotentiales durch eine mögliche Erderspannung UE bietet die Existenz eines globalen Erdungsnetzes enorme Vorteile. Die Entstehung einer gefährlichen Berührungsspannung für Personen wird in diesem Fall normativ generell ausgeschlossen.

Damit die Forderungen des Personenschutzes in den mit der Erdungsanlage verbundenen Netzteilen auch im Fehlerfall eingehalten werden, hat es sich in der Praxis bewährt, einen Gesamterdungswiderstand RB der einzelnen Erdungsanlagen von 2 Ω nicht zu überschreiten. Im Hinblick auf die Strombelastbarkeit bei möglichen Fehlern innerhalb der Station ist ein besonderes Augenmerk auf die Berechnung und Einhaltung der Mindestquerschnitte des Erdungsleiters und der Erdungssammelleiter der Anlage zu richten. Die Erdungsanlage wird im Fehlerfall, in Abhängigkeit von der Sternpunktbehandlung (z. B. kompensiertes Netz), geringer belastet.

In der praktischen Ausführung gilt es, die Grundsätze der genannten DIN-VDE-Normen sowie die wichtigen Hinweise der örtlichen Verteilnetzbetreiber einzubeziehen. Bei der Planung und Dimensionierung der Erdungsanlage ist es häufig sinnvoll, vorab einen möglichen Gesamterdausbreitungswiderstand abzuschätzen, um alle nötigen Maßnahmen bereits vor dem Bau der Anlage festzulegen. Äußerst wichtig ist es, auf die richtige Materialauswahl für den Erder der Erdungsanlage hinsichtlich der Korrosion zu achten. Die hier aufgeführten Beispiele sowie die Erfahrung der letzten Jahrzehnte mit vielen Anlagen im Betrieb zeigen deutlich, dass sich nur ein hochlegierter Edelstahl (NIRO V4A, z. B. Werkstoff Nr.1.4571) im Erdreich als korrosionsbeständig erweist. Im Sinne eines langfristig sicheren Betriebes einer Netzstation sollte daher nur hochwertiges Edelstahlmaterial für den Einsatz in der Erdungsanlage Verwendung finden.