Das Blitzkugelverfahren – elektro-geometrisches Modell

Bei Wolke-Erde-Blitzen wächst ein Leitblitz schrittweise in Rückstufen von der Wolke in Richtung Erde. Hat sich der Leitblitz auf einige 100 bis einige 10 Meter der Erde genähert, wird die elektrische Isolationsfähigkeit der bodennahen Luft überschritten. Es beginnt von der Erde eine weitere, dem Leitblitz ähnliche „Leader“-Entladung in Richtung Leitblitzkopf zu wachsen: die Fangentladung. Damit wird die Einschlagstelle des Blitzes festgelegt (Bild 5.1.1.1).

Bild 5.1.1.1 Startende Fangentladung, die den Einschlagpunkt festlegt

Den Startpunkt der Fangentladung und damit die spätere Einschlagstelle bestimmt vor allem der Leitblitzkopf. Der Leitblitzkopf kann sich nur bis zu einem bestimmten Abstand der Erde nähern. Dieser wird durch die ständig mit anwachsende elektrische Bodenfeldstärke während der Annäherung des Leitblitzkopfs festgelegt. Der kleinste Abstand zwischen dem Leitblitzkopf und dem Startpunkt der Fangentladung wird Enddurchschlagstrecke hB genannt (entspricht dem Radius der Blitzkugel).
Unmittelbar nach dem Überschreiten der elektrischen Isolationsfähigkeit an einer Stelle entsteht die Fangentladung, die zum Enddurchschlag führt und die Enddurchschlagstrecke überwindet. Basierend auf der Beobachtung der Schutzwirkung von Erdseilen und Hochspannungsmasten wurde das so­ge­nannte elektro-geometrische Modell erstellt.

Dieses gründet auf der Hypothese, dass sich der Leitblitzkopf den Objekten auf der Erde unbeeinflusst bis auf die Enddurchschlagstrecke annähert. Die Einschlagstelle wird dann von dem Objekt festgelegt, das die kürzeste Entfernung zum Leitblitzkopf aufweist. Die von dort startende Fangentladung „setzt sich durch“ (Bild 5.1.1.2).

Bild 5.1.1.2 Modell einer Blitzkugel; Quelle: Prof. Dr. A. Kern, Aachen

Schutzklasseneinteilung und Blitzkugelradius

In erster Näherung besteht eine Proportionalität zwischen dem Scheitelwert des Blitzstroms und der im Leitblitz gespeicherten elektrischen Ladung. Zudem ist die elektrische Bodenfeldstärke bei heranwachsendem Leitblitz in erster Näherung von der im Leitblitz gespeicherten Ladung linear abhängig.
Somit existiert eine Proportionalität zwischen dem Scheitelwert I des Blitzstroms und der Enddurchschlagstrecke hB (= Radius der Blitzkugel):

r in m
I in kA.

Der Blitzschutz von Gebäuden ist in der DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1) beschrieben. Diese Norm definiert u. a. die Einteilung in einzelne Gefährdungspegel / Schutzklassen und legt die daraus resultierenden Blitzschutz-Maßnahmen fest.
Sie unterscheidet vier Schutzklassen. Dabei bietet die Schutzklasse I den höchsten und die Schutzklasse IV den im Vergleich geringsten Schutz. Mit der jeweiligen Schutzklasse geht die Einfangwirksamkeit Ei der Fangeinrichtungen einher, d. h., welcher Anteil der zu erwartenden Blitzeinschläge durch die Fangeinrichtungen sicher beherrscht wird. Daraus ergibt sich die Enddurchschlagstrecke und damit der Radius der Blitz­kugel. Die Zusammenhänge zwischen Gefährdungspegel / Schutzklasse, Einfangwahrscheinlichkeit der Fangeinrichtungen, Enddurchschlagstrecke / Radius der Blitzkugel und Stromscheitelwert sind in Tabelle 5.1.1.1 dargestellt.

Ge­fähr­dungs-
­pe­gel

LPL

Wahrscheinlichkeiten für die Grenzwerte
der Blitzstromparameter

Radius der Blitzkugel (Enddurchschlagstrecke hB)
r in m

kleinster
Scheitelwert
des Stromes

I in kA

> Minimalwerte

< Maximalwerte

IV

0,84

0,95

60

16

III

0,91

0,95

45

10

II

0,97

0,98

30

5

I

0,99

0,99

20

3

Tabelle 5.1.1.1 Beziehungen zwischen Gefährdungspegel, Einfangwahrscheinlichkeit, Enddurchschlagstrecke hB und kleinstem Scheitelwert des Stromes I; Quelle: Tabelle 5 der DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1)

Basierend auf der Hypothese des elektro-geometrischen Modells, dass sich der Leitblitzkopf den Objekten auf der Erde willkürlich und unbeeinflusst bis auf die Enddurchschlag­strecke annähert, lässt sich ein allgemeines Verfahren ableiten, das eine Überprüfung des Schutzraums beliebiger Anordnungen von Objekten gestattet. Zur Durchführung dieses Blitzkugelverfahrens benötigt man von dem zu schützenden Objekt ein maßstäbliches Modell (z. B. im Maßstab 1:100), an dem die äußeren Konturen und ggf. die Fangeinrichtungen nachgebildet sind. Je nach Standort des zu untersuchenden Objekts ist es ebenfalls notwendig, die umliegenden Gebäude und Objekte mit einzubeziehen, da diese als „natürliche Schutzmaßnahmen“ für das zu untersuchende Objekt wirksam sein könnten.

Des Weiteren benötigt man eine der jeweiligen Schutzklasse adäquate maßstäbliche Kugel mit dem Radius, der der Enddurchschlagsstrecke entspricht (der Radius r der Blitzkugel muss je nach Schutzklasse maßstäblich mit den Radien 20, 30, 45 oder 60 m übereinstimmen). Der Mittelpunkt der verwendeten Blitzkugel entspricht dem Leitblitzkopf, bis zu dem sich die jeweiligen Fangentladungen ausbilden.

Die Blitzkugel wird nun um das zu untersuchende Objekt gerollt, und die jeweiligen Berührungspunkte, die den möglichen Einschlagstellen des Blitzes entsprechen, werden markiert. Anschließend wird die Blitzkugel in allen Richtungen über das Objekt gerollt. Wieder werden alle Berührungspunkte markiert. So bilden sich auf dem Modell alle möglichen Blitzeinschlagstellen ab und man kann auch die Bereiche von eventuellen Seiteneinschlägen feststellen. Die natürlichen Schutzräume, die sich aufgrund der Geometrie des zu schützenden Objekts und seines Umfelds ergeben, werden ebenfalls deutlich. An diesen Stellen kann auf die Montage von Fangleitungen verzichtet werden (Bild 5.1.1.3).

Bild 5.1.1.3 Schematische Anwendung des Blitzkugelverfahrens an einem Gebäude mit stark gegliederter Oberfläche

Zu beachten ist dabei allerdings, dass an Turmspitzen auch schon Blitzfußspuren an Stellen festgestellt wurden, die durch das Überrollen der Blitzkugel nicht direkt berührt worden sind. Dies wird u. a. darauf zurückgeführt, dass bei Mehrfachblitzen der Fußpunkt des Blitzes aufgrund der Windverhältnisse gewandert ist. Es kann demnach vorkommen, dass sich um die ermittelten Einschlagstellen herum ein Bereich in der Größenordnung von etwa einem Meter ausbildet, in dem gleichfalls Blitzeinschläge möglich sind.

Beispiel 1: Neubau eines Verwaltungsgebäudes in München

In der Planungsphase des Neubaus dieses Verwaltungsgebäudes entschied man sich, wegen der komplexen Geometrie das Blitzkugelverfahren anzuwenden, um die blitzeinschlaggefährdeten Bereiche zu identifizieren.
Möglich war dies, da ein Architekturmodell des Neubaus im Maßstab 1:100 zur Verfügung stand.
Als Anforderung an das Blitzschutzsystem wurde die Schutzklasse I festgelegt, d. h., der Blitzkugelradius im Modell betrug 20 cm (Bild 5.1.1.4).

Bild 5.1.1.4 Neubau Verwaltungsgebäude: Modell mit Blitzkugel der Schutzklasse I; Quelle: WBG Wiesinger

An den Stellen, an denen die Blitzkugel Gebäudeteile berührte, könnte ein direkter Blitzeinschlag mit dem zugehörigen Mindest-Stromscheitelwert von 3 kA auftreten (Bild 5.1.1.5). Hier waren demzufolge adäquate Fangeinrichtungen erforderlich. Nachdem an diesen Stellen oder in unmittelbarer Nähe elektrische Einrichtungen lokalisiert worden waren (z. B. auf dem Gebäudedach), wurden dort erweiterte Maßnahmen für Fangeinrichtungen realisiert.
Durch die Anwendung des Blitzkugelverfahrens wurde es vermieden, Fangeinrichtungen an Punkten zu installieren, wo sie aus schutztechnischer Sicht nicht erforderlich sind. Auf der anderen Seite konnte der Schutz vor direkten Einschlägen an den Stellen verbessert werden, wo es notwendig ist (Bild 5.1.1.5).

Bild 5.1.1.5 Neubau DAS-Verwaltungsgebäude: Blitzeinschlag­gefährdete Bereiche für die Schutzklasse I in der Draufsicht (Ausschnitt); Quelle: WBG Wiesinger

Beispiel 2: Aachener Dom

Der Dom steht inmitten der Aachener Altstadt und ist von mehreren hohen Gebäuden umgeben. Direkt neben dem Dom befindet sich ein Modell im Maßstab 1:100, das den Besuchern die Geometrie des Bauwerks besser begreiflich machen soll.

Die umgebenden Gebäude bieten dem Aachener Dom zum Teil einen natürlichen Schutz vor Blitzeinschlägen. Um den natürlichen Schutz und die Wirksamkeit von Blitzschutzmaßnahmen aufzuzeigen, wurden die umliegenden Gebäude in ihren wesentlichen Elementen im gleichen Modell-Maßstab (1:100) abgebildet (Bild 5.1.1.6).

Bild 5.1.1.6 Aachener Dom: Modell mit Umgebung und Blitzkugeln der Schutzklasse III und II; Quelle: Prof. Dr. A. Kern, Aachen

Bild 5.1.1.6 zeigt ferner Blitzkugeln der Schutzklassen II und III (d. h. mit Radien von 30 cm und 45 cm) am Modell.
Ziel war es hierbei, die steigenden Anforderungen an die Fangeinrichtungen bei abnehmendem Blitzkugelradius darzustellen, d. h., welche Bereiche des Aachener Doms bei der höheren Schutzklasse II zusätzlich als blitzeinschlaggefährdet anzusehen sind.
Die Blitzkugel mit dem kleineren Radius der höheren Schutzklasse berührt das Modell natürlich auch an allen Stellen, an denen es die Blitzkugel mit dem größeren Radius bereits berührt hat. Es ist damit nur noch notwendig, die zusätzlichen Berührungspunkte festzustellen.
Bei der Dimensionierung der Fangeinrichtung für eine bauliche Anlage oder einen Dachaufbau ist, wie aufgezeigt, der Durchhang der Blitzkugel ausschlaggebend.

Mit der nachfolgenden Formel kann die Eindringtiefe p der Blitzkugel errechnet werden, wenn die Blitzkugel beispielsweise auf „Schienen“ rollt. Dies ist z. B. bei zwei gespannten Drähten gegeben.

rRadius der Blitzkugel
dAbstand zwischen zwei Fangstangen oder zwei parallelen Fangleitungen.

Bild 5.1.1.7 veranschaulicht diese Betrachtungsweise.
Sollen Dachfläche oder Dachaufbauten vor direktem Einschlag geschützt werden, wird dies häufig durch Fangstangen realisiert. Durch die quadratische Anordnung der Fangstangen, die in der Regel nicht überspannt werden, läuft die Kugel „nicht auf Schienen“, sondern „taucht tiefer ein“, wodurch die Eindringtiefe der Kugel größer wird (Bild 5.1.1.8).

Bild 5.1.1.7 Eindringtiefe p der Blitzkugel
Bild 5.1.1.8 Fangeinrichtung für Dachaufbauten mit ihrem Schutzraum

Die Fangstangenhöhe Δh muss immer höher dimensioniert werden als der ermittelte Wert der Eindringtiefe p und somit der Durchhang der Blitzkugel. Durch diese zusätzliche Höhe der Fangstange wird gewährleistet, dass die Blitzkugel das zu schützende Objekt nicht berührt.

Eine andere Vorgehensweise, die Höhe der Fangstangen zu ermitteln, wird durch Tabelle 5.1.1.2 ermöglicht. Maßgebend für die Eindringtiefe der Blitzkugel ist der größte Abstand der Fangstangen zueinander. Durch die weiteste Entfernung kann in der Tabelle die Eindringtiefe p (Durchhang) abgelesen werden.

d

Durchhang der Blitzkugel [m] (aufgerundet)

Abstand
zwischen
Fangstangen
[m]

Schutzklasse mit Blitzkugelradius [m]

I

(20 m)

II

(30 m)

III

(45 m)

IV

(60 m)

2

0,03

0,02

0,01

0,01

4

0,10

0,07

0,04

0,03

6

0,23

0,15

0,10

0,08

8

0,40

0,27

0,18

0,13

10

0,64

0,42

0,28

0,21

12

0,92

0,61

0,40

0,30

14

1,27

0,83

0,55

0,41

16

1,67

1,09

0,72

0,54

18

2,14

1,38

0,91

0,68

20

2,68

1,72

1,13

0,84

23

3,64

2,29

1,49

1,11

26

4,80

2,96

1,92

1,43

29

6,23

3,74

2,40

1,78

32

8,00

4,62

2,94

2,17

35

10,32

5,63

3,54

2,61

Tabelle 5.1.1.2 Durchhang der Blitzkugel bei zwei Fangstangen oder zwei parallelen Fangleitungen

Die Fangstangen sind entsprechend der Höhe des Dach­aufbaus (bezogen auf den Standort der Fangstange) und zusätzlich der Eindringtiefe zu dimensionieren (Bild 5.1.1.9). Wird z. B. eine gesamte Fangstangenhöhe von 1,15 m rechnerisch oder aus der Tabelle ermittelt, wird in der Regel ein handelsübliches Maß der Fangstange von 1,5 m eingesetzt.

Bild 5.1.1.9 Berechnung ∆h bei mehreren Fangstangen nach Blitzkugelverfahren

Maschenverfahren

Die Fangeinrichtung „Masche“ kann universell und unabhängig von der Gebäudehöhe und Dachform angewandt werden. Auf der Dacheindeckung wird ein maschenförmiges Fangnetz mit einer der jeweiligen Schutzklasse entsprechenden Maschenweite angeordnet (Tabelle 5.1.1.3).

Schutzklasse

Maschenweite

I

5 x 5 m

II

10 x 10 m

III

15 x 15 m

IV

20 x 20 m

Tabelle 5.1.1.3 Maschenweite

Der Durchhang der Blitzkugel wird bei der Fangeinrichtung „Masche“ vereinfacht zu Null angenommen.
Die Lage der einzelnen Maschen ist unter Verwendung des Firstes und der Außenkanten des Gebäudes sowie den als Fangeinrichtung dienenden metallenen natürlichen Baukomponenten frei wählbar.
Die Fangleitungen an den Außenkanten der baulichen Anlage müssen möglichst nahe an den Kanten verlegt werden.

Eine metallene Attika kann als Fang- und/oder Ableitung verwendet werden, wenn die geforderten Mindestmaße für natürliche Bestandteile der Fangeinrichtung erfüllt werden (Bild 5.1.1.10).

Bild 5.1.1.10 Maschenförmige Fangeinrichtung

Schutzwinkelverfahren

Das Schutzwinkelverfahren ist von dem elektro-geometrischen Blitzmodell abgeleitet. Der Schutzwinkel wird vom Radius der Blitzkugel bestimmt. Der mit dem Radius der Blitzkugel vergleichbare Schutzwinkel ergibt sich, wenn eine Schräge die Blitzkugel so schneidet, dass die dadurch entstehenden Flächen inhaltlich gleich groß sind (Bild 5.1.1.11).
Dieses Verfahren ist bei den Gebäuden mit symmetrischen Abmessungen (z. B. Steildach) oder für Dachaufbauten (z. B. Antennen, Abluftrohre) anzuwenden.
Der Schutzwinkel ist abhängig von der Schutzklasse und der Höhe der Fangeinrichtung über der Bezugsebene (Bild 5.1.1.12).

Bild 5.1.1.11 Schutzwinkel und vergleichbarer Radius der Blitzkugel
Bild 5.1.1.12 Schutzwinkel α als Funktion der Höhe h in Abhängigkeit von der Schutzklasse

Fangleitungen, Fangstangen, Maste und Drähte sollten so angeordnet werden, dass alle Teile der zu schützenden baulichen Anlage innerhalb des Schutzvolumens der Fangeinrichtung liegen.
Der Schutzbereich kann „kegelförmig“ oder mit Überspannung z. B. eines Seiles „zeltförmig“ sein (Bild 5.1.1.13 , Bild 5.1.1.14 und Bild 5.1.1.15).
Sind Fangstangen zum Schutz von Dachaufbauten auf der Dachfläche aufgestellt, dann kann der Schutzwinkel α unterschiedlich sein. Im Bild 5.1.1.16 ist die Bezugsebene für den Schutzwinkel α1 die Dachfläche. Der Schutzwinkel α2 hat den Erdboden als Bezugsebene, und somit ist der Winkel α2 nach Bild 5.1.1.12 und der Tabelle 5.1.1.4 geringer als a1.

Bild 5.1.1.13 Kegelförmiger Schutzbereich
Bild 5.1.1.14 Beispiel für Fangeinrichtungen mit Schutzwinkel α
Bild 5.1.1.15 Durch eine Fangleitung geschützter Raum
Bild 5.1.1.16 Durch eine Fangstange geschütztes Volumen


In Tabelle 5.1.1.4 und Bild 5.1.1.4a können der entsprechende Schutzwinkel je nach Schutzklasse und der zugehörige Abstand (Schutzbereich) abgelesen werden.

Höhe der Fangstange
h in m

SK I

SK II

SK III

SK IV

Winkel α

Abstand a in m

Winkel α

Abstand a in m

Winkel α

Abstand a in m

Winkel α

Abstand a in m

1

71

2,90

74

3,49

77

4,33

79

5,14

2

71

5,81

74

6,97

77

8,66

79

10,29

3

66

6,74

71

8,71

74

10,46

76

12,03

4

62

7,52

68

9,90

72

12,31

74

13,95

5

59

8,32

65

10,72

70

13,74

72

15,39

6

56

8,90

62

11,28

68

14,85

71

17,43

7

53

9,29

60

12,12

66

15,72

69

18,24

8

50

9,53

58

12,80

64

16,40

68

19,80

9

48

10,00

56

13,34

62

16,93

66

20,21

10

45

10,00

54

13,76

61

18,04

65

21,45

11

43

10,26

52

14,08

59

18,31

64

22,55

12

40

10,07

50

14,30

58

19,20

62

22,57

13

38

10,16

49

14,95

57

20,02

61

23,45

14

36

10,17

47

15,01

55

19,99

60

24,25

15

34

10,12

45

15,00

54

20,65

59

24,96

16

32

10,00

44

15,45

53

21,23

58

25,61

17

30

9,81

42

15,31

51

20,99

57

26,18

18

27

9,17

40

15,10

50

21,45

56

26,69

19

25

8,86

39

15,39

49

21,86

55

27,13

20

23

8,49

37

15,07

48

22,21

54

27,53

21

   

36

15,26

47

22,52

53

27,87

22

   

35

15,40

46

22,78

52

28,16

23

   

32

14,94

45

23,00

51

28,40

24

   

32

15,00

44

23,18

50

28,60

25

   

30

14,43

43

23,31

49

28,76

26

   

29

14,41

41

22,60

49

29,91

27

   

27

13,76

40

22,66

48

29,99

28

   

26

13,66

39

22,67

47

30,03

29

   

25

13,52

38

22,66

46

30,03

30

   

23

12,73

37

22,61

45

30,00

31

       

36

22,52

44

29,94

32

       

35

22,41

44

30,90

33

       

35

23,11

43

30,77

34

       

34

22,93

42

30,61

35

       

33

22,73

41

30,43

36

       

32

22,50

40

30,21

37

       

31

22,23

40

31,50

38

       

30

21,94

39

30,77

39

       

29

21,62

38

30,47

40

       

28

21,27

37

30,14

41

       

27

20,89

37

30,90

42

       

26

20,48

36

30,51

43

       

25

20,05

35

30,11

44

       

24

19,59

35

30,81

45

       

23

19,10

34

30,35

46

           

33

29,87

47

           

32

29,37

48

           

32

29,99

49

           

31

29,44

50

           

30

28,87

51

           

30

29,44

52

           

29

28,82

53

           

28

28,18

54

           

27

27,51

55

           

27

28,02

56

           

26

27,31

57

           

25

26,58

58

           

25

27,05

59

           

24

26,27

60

           

23

25,47

Tabelle 5.1.1.4 Schutzwinkel α in Abhängigkeit der Schutzklasse (SK)
Bild 5.1.1.4a

Schutzwinkelverfahren für getrennte Fangeinrichtungen von Dachaufbauten

Besondere Probleme treten auf, wenn Dachaufbauten, die oft nachträglich eingebracht werden, etwa aus den Schutzbereichen der Masche herausragen. Besitzen diese Dachaufbauten zudem noch elektrische oder elektronische Einrichtungen, wie z. B. Dachlüfter, Antennen, Messsysteme oder Fernsehkameras, sind ergänzende Schutzmaßnahmen erforderlich.

Bei einem direkten Anschluss solcher Einrichtungen an den äußeren Blitzschutz werden im Falle eines Blitzeinschlags Teilströme in das Gebäude geführt, die zur Zerstörung überspannungsempfindlicher Einrichtungen führen können. Durch getrennte Fangeinrichtungen sind Direkteinschläge in diese dachüberragenden Aufbauten zu verhindern.
Zum Schutz von kleineren Dachaufbauten (mit elektrischen Einrichtungen) eignen sich Fangstangen nach Bild 5.1.1.17.
Sie bilden einen kegelförmigen Schutzbereich und verhindern so einen Direkteinschlag in den Dachaufbau.

Der Trennungsabstand s ist bei der Dimensionierung der Fangstangenhöhe zu berücksichtigen (s. Kapitel 5.6).

Bild 5.1.1.17 Schutz kleinerer Dachaufbauten vor Direkteinschlägen mit Fangstangen

Getrennte und nicht getrennte Fangeinrichtungen

Bei der Ausführung des äußeren Blitzschutzes an einem Gebäude werden zwei Arten der Fangeinrichtungen unterschieden:

  • getrennt
  • nicht getrennt.

Die beiden Ausführungen können miteinander kombiniert werden.

Die Fangeinrichtungen eines nicht getrennten äußeren Blitzschutzes zum Schutz einer baulichen Anlage können auf folgende Arten errichtet werden:

  • Besteht das Dach aus nicht brennbarem Material, können die Leitungen der Fangeinrichtung auf der Oberfläche der baulichen Anlage verlegt werden (z. B. Sattel- oder Flachdach). In der Regel werden ebenfalls Baustoffe aus nicht brennbarem Material verwendet. Somit können die Komponenten des äußeren Blitzschutzes direkt an die bauliche Anlage montiert werden (Bild 5.1.1.18 und Bild 5.1.1.19).
  • Besteht das Dach aus leicht entflammbarem Material
    (Baustoffklasse B 3, siehe Beiblatt 1 sowie Beiblatt 2 zur DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3), wie z. B. bei Weichdächern, darf der Abstand zwischen den brennbaren Teilen des Daches und der Fangeinrichtung aus Fangstangen, Fangleitungen oder Fangmaschen nicht kleiner als 0,4 m sein. Leicht entflammbare Teile der zu schützenden baulichen Anlage dürfen nicht in direktem Kontakt mit Teilen des äußeren Blitzschutzes stehen. Sie dürfen sich auch nicht unter einer Dachdeckung befinden, die bei Blitzeinschlag durchlöchert werden kann (s. auch Kapitel 5.1.5 „Fangeinrichtung für Gebäude mit weicher Bedachung“).
Bild 5.1.1.18 Satteldach mit Leitungshalter
Bild 5.1.1.19 Flachdach mit Fangstangen und Leitungshaltern: Schutz der Lichtkuppeln

Bei getrennten Fangeinrichtungen wird die gesamte bauliche Anlage durch Fangstangen, Fangmaste oder mit Seil-überspannten Masten vor einem direkten Einschlag geschützt. Der Trennungsabstand s zwischen der Fangeinrichtung und der baulichen Anlage ist einzuhalten (Bild 5.1.1.20 und Bild 5.1.1.21).
Diese von der baulichen Anlage getrennten Fangeinrichtungen werden häufig bei brennbaren Materialien auf dem Dach (z. B. Reet) oder auch bei Ex-Anlagen (z. B. Tankanlagen) angewendet (s. auch Kapitel 5.1.5 „Fangeinrichtung für Gebäude mit weicher Bedachung“).

Bild 5.1.1.20 Getrennter äußerer Blitzschutz mit zwei getrennten Fangmasten nach dem Schutzwinkelverfahren: Projektion auf eine vertikale Fläche
Bild 5.1.1.21 Getrennter äußerer Blitzschutz, bestehend aus zwei getrennten Fangmasten, verbunden durch eine horizontale Fangleitung: Projektion auf eine vertikale Fläche durch die zwei Masten (Aufriss)

Eine weitere Möglichkeit, getrennte Fangeinrichtungen zu erstellen, besteht darin, ein HVI-System mittels Stützrohr sowie HVI-Leitung (Hochspannungsfeste, isolierte Ableitung) zu installieren. Alternativ dazu kann mittels elektrisch isolierenden Werkstoffen wie z. B. GFK (glasfaserverstärktem Kunststoff) die Fangeinrichtungen (Fangstangen, Leitungen oder Seile) am zu schützenden Objekt befestigt werden.
Diese Form der Trennung kann örtlich begrenzt oder auch für gesamte Anlagenteile verwendet werden. Häufig wird sie für Dachaufbauten wie Lüfter- oder Rückkühlanlagen angewendet, die eine elektrisch leitende Verbindung in das Gebäudeinnere aufweisen (s. auch Kapitel 5.1.8).

Natürliche Bestandteile von Fangeinrichtungen

Als natürliche Bestandteile einer Fangeinrichtung können metallene Konstruktionsteile wie z. B. Attiken, Regenrinnen, Geländer oder Verkleidungen verwendet werden.

Bei einem Gebäude in Stahlskelettbauweise, mit einem Metalldach und einer Fassade aus leitfähigem Material, sind diese Teile unter bestimmten Voraussetzungen für den äußeren Blitzschutz einsetzbar.
Verkleidungen aus Metallblech, an oder auf dem zu schützenden Gebäude, können verwendet werden, wenn die elektrische Verbindung zwischen den verschiedenen Teilen dauerhaft ausgeführt ist. Diese dauerhaften elektrischen Verbindungen können z. B. durch Löten, Schweißen, Pressen, Verschrauben oder Vernieten hergestellt werden. Durch qualifizierte Fachkräfte können Verbindungen durch Weichlöten ausgeführt werden. Die zusammenhängend verlötete Fläche der Verbindung muss mindestens 10 cm2 bei einer Breite von mindestens 5 mm betragen. Ist die elektrische Verbindung nicht gegeben, müssen diese Elemente zusätzlich z. B. mit Überbrückungsbändern oder Überbrückungskabeln verbunden werden.

Ist die Dicke des Metallbleches nicht kleiner als der Wert t‘ in Tabelle 5.1.1.5 und ist es nicht erforderlich, ein Durchschmelzen der Bleche am Einschlagpunkt oder die Entzündung von brennbarem Material unter der Verkleidung zu berücksichtigen, können derartige Bleche als Fangeinrichtung verwendet werden. Hierbei erfolgt keine Unterscheidung der Material­dicken nach Schutzklassen.
Ist es jedoch erforderlich, Vorkehrungen gegen Durchschmelzen oder unzulässige Erhitzung am Einschlagpunkt zu treffen, darf die Dicke des Metallbleches nicht kleiner als der Wert t in Tabelle 5.1.1.5 sein.
Diese geforderten Dicken t der Werkstoffe können gewöhnlich, z. B. bei Metalldächern, nicht eingehalten werden.

Schutzklasse des LPS

Werkstoff

Dickea t
mm

Dickeb t‘
mm

I bis IV

Blei

2,0

Stahl
(rostfrei, verzinkt)

4

0,5

Titan

4

0,5

Kupfer

5

0,5

Aluminium

7

0,65

Zink

0,7

a t verhindert Durchlöchern
b t‘ nur für Metallbleche, wenn die Verhinderung von Durch­löchern, Überhitzung und Entzündung nicht wichtig ist

Tabelle 5.1.1.5 Mindestdicke von Metallblechen

Bei Rohren oder Behältern besteht jedoch die Möglichkeit, diese Mindestdicken (Wandstärken) zu erfüllen. Ist dennoch die Temperaturerhöhung (Erhitzung) an der Innenseite des Rohres oder des Tanks gefährlich für das sich darin befindliche Medium (Brand- oder Explosionsgefahr), sind diese nicht als Fangeinrichtung verwendbar (s. hierzu auch Kapitel 5.1.4).

Werden die Anforderungen an die entsprechende Mindest­dicke nicht erfüllt, sollen die Bauteile, z. B. Rohrleitungen oder Behälter, in einem vor direktem Einschlag geschützten Bereich untergebracht werden.

Eine dünne Beschichtung mit Farbe, 1 mm Bitumen oder 0,5 mm PVC sind bei einem direkten Blitzeinschlag nicht als Isolierung zu betrachten. Durch die hohe Energie, die bei einem direkten Blitzeinschlag umgesetzt wird, werden derartige Beschichtungen durchschlagen.

Befinden sich leitende Teile auf der Dachfläche, können diese als natürliche Fangeinrichtung genutzt werden, sofern keine leitfähige Verbindung in das Gebäudeinnere besteht.
Durch Rohrverbindungen u. ä. oder durch elektrische Leitungen, die in das Gebäude führen, können Blitzteilströme in das Innere der baulichen Anlage gelangen und empfindliche elektrische / elektronische Einrichtungen beeinflussen oder gar zerstören.

Um diese Blitzteilströme zu verhindern, sind für derartige Dachaufbauten getrennte Fangeinrichtungen zu installieren. Die Auslegung der getrennten Fangeinrichtung kann nach dem Blitzkugel- oder Schutzwinkelverfahren erfolgen. Eine Fangeinrichtung mit einer der jeweiligen Schutzklasse entsprechenden Maschenweite kann errichtet werden, wenn die gesamte Anordnung um den geforderten Trennungsabstand s erhöht (isoliert) geführt wird.

Ein universelles Bauteilesystem zur Errichtung getrennter Fangeinrichtungen wird in Kapitel 5.1.8 beschrieben.